Granger Ann - Varady - 02
Haris Laden
vorbei und blieb kurz stehen, um zu sehen, ob Ganesh
schon da war. Er war nirgends zu sehen, aber Hari war da
und erkannte mich, also musste ich nach drinnen und höflich fragen, wie es ihm so gehe, und mir seine neuesten Probleme anhören.
»Ganesh ist unterwegs zum Großhändler«, erzählte er.
»Ich vermute, dass sie mich übers Ohr hauen.« Sein kleines,
von tiefen Linien durchfurchtes Gesicht verzog sich voller
Sorge.
Ich versicherte ihm, dass dies höchst unwahrscheinlich
sei, auch wenn ich das natürlich unmöglich genau wissen
konnte. Falls es dennoch so sein sollte, würde Ganesh sich
darum kümmern, fügte ich hinzu.
»Ganesh ist«, erklärte ich und meinte es absolut ehrlich,
»verdammt schwer an der Nase herumzuführen!«
Es war genau das, was Onkel Hari hören wollte, und es
munterte ihn beträchtlich auf. Er nickte heftig und sagte: »Ja,
ja, meine Liebe, da haben Sie vollkommen Recht!« Dann bot
er mir eine Tasse Tee an.
»Tut mir Leid«, entschuldigte ich mich, »aber ich muss zu
einem Treffen.« Mit diesen Worten war ich auch schon
draußen.
Als ich in Jimmies Laden ankam, war es ein gutes Stück
nach zehn, und er hatte bereits für das normale Publikum
geöffnet. Ein paar Leute saßen herum und tranken Kaffee.
Im Allgemeinen herrschte bis zur Mittagszeit nicht besonders viel Betrieb. Jimmie stützte sich auf den Tresen und
unterhielt sich mit einem kleinen, gedrungenen, sommersprossigen jungen Mann über Fußball. Der junge Mann hatte so rote Haare, dass er Parry hätte Konkurrenz machen
können. Zu seinen Füßen stand eine große, mit einem Band
verschnürte Kladde. Also war der junge Mann Angus, der
Maler.
Jimmie hatte mich gesehen. »Da ist sie ja!«, meinte er zu
Angus, und rief in meine Richtung: »Setz dich schon mal irgendwohin, Schätzchen, ich bring dir und Michelangelo
hier gleich Kaffee.«
Angus kam mit ausgestreckter Hand auf mich zu. Er trug
eine alte Jeans und ein dunkelblaues Trikot der schottischen
Fußballnationalmannschaft.
»Hallo!« Er musterte mich aus zusammengekniffenen
Augen, als würde er mich buchstäblich vermessen, was ich
ein wenig beunruhigend fand. Ich hoffte, dass er keinen seiner Teilzeitjobs bei einem Beerdigungsunternehmer verbracht hatte. »Danke, dass du gekommen bist«, sagte er.
Sein Akzent war weniger stark ausgeprägt als bei Jimmie.
Ich schätzte, dass er Schottland trotz seiner Jugend schon
vor längerer Zeit verlassen hatte. Ich schüttelte seine dargebotene Hand und entschuldigte mich für meine Verspätung. Mir fiel auf, dass er in außergewöhnlich guter körperlicher Verfassung war. Wahrscheinlich verbrachte er einen
Teil seiner Zeit im Fitnessstudio, oder vielleicht musste er
bei seiner künstlerischen Betätigung ja auch schwere Felsbrocken herumschleppen. Wo Parrys rote Haare und seine
scharfen Gesichtszüge ihm das Aussehen eines Fuchses verliehen, war Angus ein freundlicher Löwe mit einem runden
Gesicht und offenen Zügen unter lockigem, kurz geschnittenem roten Haar. Seine Augen leuchteten hellblau, und nachdem er mich genauer angesehen hatte, wirkten sie wieder ein
wenig geistesabwesend, was bei ihm vermutlich normal war.
Ich hatte in einer Wohngemeinschaft mit Künstlern gelebt,
drüben in der Jubilee Street, bevor die Stadtverwaltung alle
Gebäude dem Erdboden gleichgemacht hatte. Ich kannte
den Ausdruck in diesen Augen. Er bedeutete, dass sein Besitzer mit höheren Dingen beschäftigt war, und er ging mit
verkanntem Talent und üblicherweise mit fehlendem Geld
einher. Angus hatte jedoch Pläne, was das Bekanntmachen
seines Talents anbelangte, und ich war ein Teil davon. Er
verschwendete keine Zeit und kam direkt zum Geschäft.
»Kein Problem«, begann er und wischte damit meine
Entschuldigung vom Tisch. »Jimmie hat dir schon alles erklärt, richtig?«
Jimmie kam mit den beiden Kaffees und antwortete an
meiner Stelle.
»Nur so grob. Ich dachte, du erklärst ihr alles besser selbst.«
Er tappte wieder davon und verschwand durch die Tür
hinter dem Tresen in den Korridor, der sein Zufluchtsort
war. Sekunden später kräuselte blauer Zigarettenrauch
durch den Spalt.
»Also gut«, setzte Angus erneut an und schob seine Kaffeetasse mit einer achtlosen Bewegung zur Seite, was den
Inhalt über den Rand in die Untertasse schwappen ließ. »Es
hat mit dem ›Rettet-die-Ressourcen-der-Welt‹-Kunstfestival
in der Community Hall am nächsten Samstag zu tun.«
Ich sah mich gezwungen einzugestehen, dass
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