Granger Ann - Varady - 03
zu tun gehabt hatte. Der
einzig wirklich Fremde war ein hagerer Mann mit grauen
Haaren und einem dazu passenden grauen Gesicht. Er war
der Einzige, der an einem Schreibtisch saß, und alle anderen
hatten sich um ihn herum versammelt.
»Das ist Miss Varady, Sir«, sagte Harford zu dem Grauhaarigen. Er wandte sich zu mir und murmelte: »Das ist Superintendent Foxley.«
Sein Verhalten deutete an, als würde mir eine Audienz
vor dem chinesischen Kaiser gewährt, wenn nicht mehr. Ich
fragte mich, ob man von mir erwartete, dass ich auf die Knie
fiel und die Stirn an den Boden presste, um ihm zu huldigen, oder ob ich vor seiner Erhabenheit einfach nur rückwärts bis an die nächste Wand zurückwich. Nun, ich gehörte nicht zu denjenigen, die sich auf der Karriereleiter der Polizei abmühten. Ich war ein freier Geist, und ich hielt den
Augenblick für geeignet, ihnen dies zu demonstrieren. Abgesehen davon würde ich wahrscheinlich ersticken, wenn
ich länger als ein paar Minuten in diesem verqualmten
Zimmer verbringen musste.
»Wäre es möglich«, sagte ich zu Foxley, »dass man ein
Fenster aufmacht?«
Schockierte, verblüffte Gesichter allenthalben. Sie hatten
gar nicht gemerkt, in welchem Mief sie gesessen hatten.
»Machen Sie das Fenster auf«, sagte Foxley, ohne jemanden anzusehen. Irgendein Lakai beeilte sich zu gehorchen
und öffnete einen Fensterflügel einen winzigen Spaltbreit.
Der Dunst zog langsam nach draußen ab.
»Setzen Sie sich, Miss Varady, bitte sehr«, bot Foxley mir
einen Platz an, und erneut eilte ein Lakai herbei und schob
mir einen Stuhl hin. »Sie kommen wahrscheinlich genau zur
rechten Zeit. Darf ich Ihnen vielleicht einen Kaffee anbieten?«
Ich hatte ihren Kaffee zu verschiedenen Gelegenheiten
getrunken und lehnte aus diesem Grund höflich ab. Ich sah
Parry im Hintergrund des Raums. Als er mich hereinkommen sah, waren seine rötlichen Augenbrauen fast bis zum
Haaransatz hochgewandert – wozu sie nicht weit wandern
mussten. Jetzt vollführte er eine blumige Pantomime. Wahrscheinlich wollte er wissen, was um alles in der Welt ich hier
zu suchen hätte.
»Was ist mit Ihnen, Sergeant?«, fragte Harford gepresst,
als er eine besonders ausdrucksstarke Geste von Parry bemerkte.
Der Sergeant murmelte eine undeutliche Erwiderung und
vergrub das Gesicht in seinem Becher.
»Wir haben eine Konferenz einberufen, wie Sie sehen
können«, fuhr Foxley fort. Er zeigte keinerlei Überraschung,
dass ich den Kaffee abgelehnt hatte. Wahrscheinlich verstand
er es nur zu gut und konnte es nachempfinden. »Wir sind
noch nicht so weit, dass wir eine Verhaftung vornehmen
können wegen des Mordes vor Ihrer Kellerwohnung, doch
wir stehen dicht davor.«
Wir stehen dicht davor? Die Bullen in den alten Schwarzweißfilmen, die spät in der Nacht im Fernsehen kamen, sagten solche Sprüche. Nachdem jemand einen Spruch wie diesen gesagt hatte, jagten altmodische schwarze Polizeiautos
mit heulenden Sirenen durch verlassene Straßen und alarmierten jeden Schurken im Umkreis von vielen Meilen, dass
sie auf dem Weg waren. Ich hatte eigentlich gehofft, dass
sich die Methoden der Polizei seit jenen Tagen weiterentwickelt hatten. Vielleicht hatten sie es sogar – jede Menge
technischer Schnickschnack und forensische Beweisführung, doch das galt sicherlich nicht für den Jargon.
Harford, der ein kleines Stück schräg hinter mir stand,
räusperte sich und sagte: »Miss Varady glaubt, dass sie etwas
herausgefunden hat, Sir.« Er klang nervös.
»Miss Varady glaubt nicht, dass sie etwas herausgefunden
hat, sie weiß es«, verbesserte ich ihn. Ich zog mein Magazin
aus der Tasche und schlug die entsprechende Seite auf. Alle
beugten sich vor und spähten auf die Verbrecherfotos. Ich
tippte auf das fragliche Bild. »Jerry Grice«, sagte ich. »Das ist
der Typ auf den Schnappschüssen, habe ich Recht? Er hat
sich die Haare gefärbt, weiter nichts.«
Jemand am Ende des Zimmers murmelte: »Scheiße!« Ein
anderer sagte müde: »Die verdammte Presse.«
Parry lief rot an, und die Augen drohten ihm aus dem
Kopf zu fallen.
»Ich habe Sie doch gewarnt, sich nicht einzumischen …«,
setzte er an.
Foxley bedachte ihn mit einem Blick, und der Sergeant
verstummte. »Ja, Miss Varady, das ist richtig«, sagte der Superintendent gleichmütig. »Und ich bin sicher, Sie werden
verstehen, warum wir die Tatsache nicht hinausposaunen
wollen, dass dies der Mann ist, hinter dem wir her sind.«
»Ich verstehe«, sagte ich. »Allerdings
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