Grant County 03 - Dreh dich nicht um
eine beruhigende Aussicht über den See. Während er die Teller schrubbte, blickte Jeffrey gedankenverloren auf das Wasser hinaus. Er war gern in Saras Haus, er mochte die gemütliche Küche und die großen Ohrensessel im Wohnzimmer. Er mochte es, bei offenem Fenster mit Sara zu schlafen, während die Vögel am Seeufer zwitscherten, er liebte den Geruch nach Shampoo in ihrem Haar und wie sie die Augen schloss, wenn sie sich ihm hingab. Sie musste gemerkt haben, wie wohl er sich bei ihr fühlte, denn sie verbrachten die meiste Zeit zusammen hier.
Das Telefon klingelte, als er gerade beim letzten Teller war, und Jeffrey war so in Gedanken verloren, dass er den Teller vor Schreck fast fallen ließ.
Nach dem dritten Klingeln hob er ab.
»Hallo«, sagte Sara mit müder Stimme.
Er griff nach einem Geschirrtuch, um sich die Hände abzutrocknen. »Wie geht es ihr?«
»Besser.«
»Kann sie sich an irgendwas erinnern?«
»Nein.« Sie schwieg. Er wusste nicht, ob sie weinte oder zu erschöpft zum Sprechen war.
Vor Jeffreys Augen tauchte die Szene im Wald wieder auf, als er das Hemd gegen Tessas Bauch drückte, das Hemd voll gesogen mit Tessas Blut. Als würde der Hund ahnen, dass etwas nicht in Ordnung war, sah sich Billy nach Jeffrey um. Dann konzentrierte er sich wieder auf sein Futter, der Metallanhänger an seinem Halsband klimperte gegen die Schüssel.
Jeffrey fragte: »Wie hältst du dich?«
Sie gab ein unbestimmtes Grunzen von sich. Dann sagte sie: »Ich habe mit Brock gesprochen und ihm gesagt, was er tun soll. Morgen kommen die Laborergebnisse zurück. Carlos weiß, wie man Druck macht, wenn es eilig ist.«
Doch Jeffrey ließ sie nicht ablenken. »Hast du letzte Nacht schlafen können?«
»Kaum.«
Auch Jeffrey hatte nicht gut geschlafen. Um drei war er aufgestanden und eine Stunde joggen gegangen, weil er dachte, danach könnte er besser schlafen. Er hatte sich geirrt.
Sara fuhr fort: »Mama und Daddy sind gerade bei ihr.«
»Wie geht es ihnen?«
»Sie sind stinksauer.«
»Auf mich?«
Sie antwortete nicht.
»Auf dich?«
Er hörte, wie sie sich die Nase schnäuzte. Dann sagte sie: »Ich hätte sie nie mitnehmen dürfen.«
»Sara, du konntest nicht ahnen, was passiert.« Er ärgerte sich, dass ihm nichts Tröstlicheres einfiel. »Wir waren an Hunderten von Tatorten in unserem Leben, und noch nie ist irgendetwas passiert. Noch nie.«
»Trotzdem, es war ein Tatort.«
»Richtig. Ein Ort, an dem ein Verbrechen geschehen war. Wir hätten doch nicht ahnen können – «
»Ich werde heute Nachmittag mit Mamas Auto zurückfahren«, sagte sie. »Nach dem Mittagessen kommt Tessa in ein anderes Zimmer. Ich will nur sichergehen, dass alles in Ordnung ist.« Sie hielt inne. »Ich mache die Autopsie, sobald ich zurück bin.«
»Ich kann dich doch abholen.«
»Nein«, sagte sie. »Die Fahrt ist zu lang und – «
»Das ist mir egal«, unterbrach er. Er hatte einmal den Fehler gemacht, nicht da zu sein, als Sara ihn brauchte, diesmal würde er da sein. »Ich hole dich um vier am Haupteingang ab.«
»Das ist mitten im Berufsverkehr. Du wirst ewig brauchen.«
»Ich fahre gegen den Strom.« Er wusste, dass das in Atlanta kaum eine Rolle spielte, wo jedes Kind über vierzehn ein Auto besaß. »Ich will nicht, dass du allein fährst. Du bist zu müde.«
Sie schwieg.
»Das ist keine Frage, Sara. Es ist eine Tatsache«, sagte er und versuchte, dabei überzeugend zu klingen. »Gegen vier bin ich da, in Ordnung?«
Schließlich gab sie auf. »Also gut.«
Jeffrey verabschiedete sich und legte auf, bevor sie einen Rückzieher machen konnte. Als er sich die Ärmel wieder herunterkrempeln wollte, fiel sein Blick auf die Uhr, und er überlegte es sich anders. In einer Stunde sollte er Dan Brock abholen und zur Leichenhalle fahren, damit Brock bei Andy Rosen Blutproben nehmen konnte. Danach hatte Jeffrey einen Termin mit den Rosens, um über ihren Sohn zu sprechen und zu hören, ob ihnen über Nacht noch irgendetwas eingefallen war.
Im Büro gab es für Jeffrey nichts zu tun, bis die Spurensicherung mit Andys Einzimmerwohnung über der Garage seiner Eltern fertig war. Die Fingerabdrücke würden in den Computer eingegeben werden, doch das war keine besonders Erfolg versprechende Methode, denn Treffer kamen nur zustande, wenn die Abdrücke bereits im Computer vorhanden waren. Frank würde Jeffrey auf dem Handy anrufen, sobald die Ergebnisse da waren, aber im Moment konnte Jeffrey nichts tun. Wenn nicht irgendwelche
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