Grappa 08 - Grappa und die fantastischen Fuenf
Bierstädter Politamateure sind kritische Fragen von Profis halt nicht gewöhnt. Aber das ist ganz allein deren Problem. Ich mache nur meine Arbeit. Und die mache ich gut.«
»So seh ich das auch«, stimmte Jansen zu. »Wenigstens einer in unserer Redaktion, der seinen Job aus dem Effeff beherrscht. Was wären wir nur ohne dich?«
»So hab ich das auch wieder nicht gemeint«, rief ich. »Jeder hackt heute auf mir herum. Das finde ich ungerecht.«
»Genug lamentiert?«, fragte er. »Können wir jetzt endlich gehen?«
Der Fußweg zum Rathaus war nur etwa 500 Meter lang. Er führte an Kossmanns Apotheke, an der gesprengten Bibliothek und dem Teppichparadies des ermordeten Tabibi vorbei.
»Schau mal.« Ich wies auf die Schaufenster des Teppichladens. Wegen eines tragischen Todesfalles in unserem Hause reduzieren wir alle Waren um 50 Prozent stand in großen schwarzen Lettern auf riesigen Plakaten.
»Das Leben geht weiter«, schüttelte Jansen den Kopf, »besonders im orientalischen Teppichhandel. Die Leute sind wirklich flexibel. Egal, was passiert, es wird kreativ in den Handel miteinbezogen. Vielleicht ist der Mord an Tabibi in Wahrheit ein Werbegag?«
Ich lachte. »Fantasie haben die Morgenländer genug – denk nur mal an die Geschichten aus Tausendundeiner Nacht. Da schwingt sich manch einer auf einen Teppich, und tschüss. Vielleicht taucht Tabibi irgendwann auch wieder auf.«
»Leider liegt der Arme ziemlich tot in der Gerichtsmedizin«, sagte Jansen trocken.
Wir waren am Rathaus angekommen. Mit dem Fahrstuhl düsten wir in die zweite Etage und folgten dem Schild Oberbürgermeister . Im Flur vor den Amtsräumen lag ein großer Orientteppich.
»Die wollenen Fußabtreter verfolgen einen auf Schritt und Tritt«, stellte ich fest. »Überall sehe ich neuerdings diese bombastischen Blumenmuster. Ich träume schon nachts davon! Komm, schnell weg hier!«
Der florale Teppich war jetzt in unserem Rücken. Doch ich war noch lange nicht erlöst.
»Schon wieder Blumen«, stöhnte ich. An der Wand hingen Aquarelle von Gregor Gottwalds Lieblingskünstlerin: Löwenmäulchensträuße, Kornblumengebinde, Mohnfelder und Rosengestecke.
»Es sind aber auch ein paar Landschaften dabei«, lachte Jansen. »Du musst nur genau hingucken.«
Ich tat's und sah spanische Berge mit niedlichen Dörfern, blaue Wasser mit weißen Booten und tiefgrüne Nadelwälder mit äsendem Rotwild.
»Ich brauche einen schönen, starken Kaffee ohne die geringste Spur von Zucker«, stieß ich hervor. »Hier klebt ohnehin schon alles.«
Jansen klopfte an die Tür des Vorzimmers des OB, und wir traten ein. Im Sitzungszimmer hatten sich bereits einige Journalisten versammelt, ein Kamerateam leuchtete ein, und der Kollege vom Radio überprüfte den Zustand seines Rekorders: »Eins, zwei, drei ...«
Der Oberstadtdirektor, der Polizeipräsident, Pressechef Henri Trabbel und Oberstaatsanwalt Dr. Hasso Klima saßen auf ihren Plätzen, den Stuhl in ihrer Mitte hatten sie freigelassen – für Oberbürgermeister Gottwald. Er kam bei solchen Anlässen immer als letzter – und konnte sicher sein, dass sein Auftritt entsprechend bemerkt wurde.
Henri Trabbels Gesichtsfarbe harmonierte mit dem mittleren Grün seines Jacketts – die Sache musste ernst sein. Er betrachtete die Journalisten, flüsterte ihre Namen, um sein Gedächtnis zu testen, und hakte einen nach dem anderen auf seiner Liste ab. Seine Hände und der Überbiss zitterten.
»Wie heißt noch mal der Oberstadtdirektor?«, fragte ich Jansen flüsternd.
»Ist nicht wichtig«, flüsterte Jansen zurück. »Den Namen brauchst du dir nicht zu merken. Gottwald nennt ihn immer nur Karl oder Hömma. Manchmal auch Komma.«
Ich prustete los, hangelte nach der Kaffeekanne und füllte meine Tasse. Eine Hand schob das Milchkännchen in meine Richtung.
Dr. Hasso Klima lächelte mich freundlich an. »Ich weiß, dass Sie den Kaffee mit Milch trinken. Ist es recht so?«
»Wie aufmerksam«, sagte ich verblüfft. »So viel Entgegenkommen bin ich gar nicht gewöhnt.«
»Liebe gnädige Frau! Geben Sie einem Beamten wie mir die Chance auf Besserung«, scherzte er. Sein Lächeln war neckisch und kam nicht bis zu den Augen.
Jetzt ist Vorsicht angebracht, dachte ich. Noch nie hatte mich jemand als »gnädige Frau« tituliert, ohne mich anschließend über den Tisch ziehen zu wollen. Doch ich wollte keine Spielverderberin sein. Ich setzte mein zuckersüßestes Lächeln auf und flötete: »Sollte dies der Beginn
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