Grappa 08 - Grappa und die fantastischen Fuenf
Pflanzenfarben gefärbt. Ein prachtvolles museales Sammlerstück.«
»Keine Blumen«, bat ich. »Hier! Dieser da sieht ganz nett aus ...«
Ich deutete auf einen eidottergelbgrundigen Teppich mit schwarzer Umrahmung. In seinem Inneren gab es zwar ebenfalls Blüten zu sehen, doch sie waren stilisiert und sparsamer platziert als bei dem anderen Teil.
»Sie haben ein gutes Auge, meine Dame«, lobte der Verkäufer. Wieselflink hatte er das Stück aus dem Stapel befreit und mir präsentiert. »Eines der wertvollsten und schönsten Kleinode unseres Hauses. Ein Sarugh , ein fast siebzig Jahre altes meisterliches Einzelstück. Es handelt sich um ein Auktionsstück aus einer Adelsfamilie in Virginia.«
»Interessant«, log ich. »Ich wusste gar nicht, dass es in den USA Adelsfamilien gibt.«
»Emigranten aus Europa«, behauptete der Verkäufer. »Unser verstorbener Meister Ali Tabibi hat dieses kostbare Stück jahrzehntelang in seiner privaten Schatzkammer aufbewahrt.«
»Schreckliche Geschichte, die Sache mit Ihrem Chef«, hakte ich ein.
Der Mann machte ein betrübtes Gesicht. »Der Sarugh ist in einem tadellosen Zustand. Kommt er für Sie in Frage?«
»Ich werde ihn wohl kaum bezahlen können.«
»Er kostet nur 16.700 Mark«, lächelte der Mann. »Ein überaus günstiger Preis.«
Der Knüpfer rollte mit einem Tablett an, auf dem sich zwei winzige Tässchen Tee befanden.
»Eigentlich wollte ich mir heute nur ein paar Schuhe kaufen«, gestand ich. »Ich bin nur hier, weil ich meinen Bekannten suche.«
Der Verkäufer reichte mir den Tee. »Es ist möglich, über den Preis zu reden«, meinte er. »Wenn Sie bar bezahlen, können wir uns auf 15.000 Mark einigen.«
»Ich habe keine 15 000 Mark.«
»Wären Sie mit Ratenzahlung einverstanden? 500 DM pro Monat, und das Stück gehört Ihnen!«
»Ich brauche aber keinen Teppich.« Mir stand der Schweiß auf der Stirn.
»Jeder Mensch mit Niveau und Stil braucht einen Teppich«, beharrte der Mann. »Sie können auch 300 Mark pro Monat bezahlen. Kostenlose Teppichwäsche in unserer Wäscherei, einmal pro Jahr inklusive.«
»Ich habe gehört, dass diese Teppiche von kleinen Mädchen geknüpft werden, die zwölf Stunden am Tag schuften müssen ...« versuchte ich dem Verkaufsgenie zu entkommen.
»Nicht bei diesem Sarugh «, widersprach er kaltblütig. »Er ist über siebzig Jahre alt. Die Mädchen sind längst erwachsen oder tot.«
»Ich muss gehen«, sagte ich. Mit einem unwirschen Ruck stellte ich das Teeglas auf das Tablett.
»Sie wollen den Teppich also nicht kaufen?«, schloss er messerscharf.
»Ich finde Orientteppiche eigentlich scheußlich«, ließ ich verlauten. »Zu bunt, zu viele Blumen, zu teuer. Außerdem habe ich eine Wollallergie. Mir ist schon ganz schwindelig. Ich bin nur hier, weil ich meinen Bekannten gesucht habe.«
Ich ging zügig zum Ausgang. Die Klette verfolgte mich.
»Was bedeuten eigentlich die Schriftzeichen unter dem Foto?« Ich deutete auf das Bild des ermordeten Tabibi über mir.
»Da steht: Du bist unser Vorbild – Wir werden dich rächen !«, antwortete der Mann. »Mein Vater wird immer unvergessen sein – bis in alle Ewigkeit. Sein Mörder wird wünschen, nie geboren worden zu sein.«
»Ihr Vater?«, fragte ich verblüfft.
»Ali Tabibi ist mein verehrungswürdiger Erzeuger. Ich bin Mamoud, sein ältester Sohn.« Tränen standen in seinen Augen.
»Es tut mir so leid für Sie«, sagte ich leise. »Eine schreckliche Tat. Ich habe über den Fall in der Zeitung geschrieben, ich bin Journalistin. Grappa, mein Name. Haben Sie schon Hinweise auf seinen Mörder?«
»Wir hoffen auf die Professionalität der deutschen Behörden«, behauptete Mamoud Tabibi. »Sie werden den Mörder finden, ihn vor Gericht stellen, und er wird verurteilt werden.«
»Darauf wollen Sie warten?«, fragte ich erstaunt.
»Natürlich. Was können wir tun? Wir sind nur Gäste in Ihrem Land.«
»Ich glaube Ihnen kein Wort«, sagte ich. »Sie sprechen von Rache, doch unser Recht kennt nur die Strafe. Der Mörder kriegt im Höchstfall lebenslänglich und ist nach fünfzehn Jahren wieder frei.«
Momoud Tabibi seufzte. »Allah wird uns helfen, die schwierige Frage der Bestrafung eines ruchlosen Mörders zu lösen.«
»Wie Sie meinen«, entgegnete ich. »Ich muss jetzt gehen. Vielen Dank für das Gespräch. Tut mir leid, dass ich keinen Teppich gekauft habe.«
»Ich weiß, dass Ihnen der Sarugh gefallen hat.« Tabibi junior reichte mir die Hand zum Abschied. Sein
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