Grappa 11 - Grappa und das große Rennen
getötet hat. Sein Arzt hat außerdem ein positives Gutachten angekündigt.«
»Dann glauben Sie also, dass die Indizien für eine Mordanklage nicht reichen?«
»Sie würde zumindest auf sehr schwachen Füßen stehen. Die Ermittlungen konzentrieren sich in erster Linie auf schwere Sachbeschädigung und die Gefährdung von Menschenleben.«
»Gibt es eine Chance, dass Herr Radic bis zum Prozess freikommt?«
»Ich habe einen Antrag auf Haftverschonung gestellt«, sagte der Jurist. »Aufgrund der psychischen Lage des Herrn Radic. Ob ich Erfolg haben werde, hängt davon ab, ob das Gericht Fluchtgefahr annimmt oder nicht. Die Staatsanwaltschaft hat inzwischen Widerspruch gegen den Antrag eingelegt – sie hält es für möglich, dass sich Radic nach Bosnien absetzt und sich so einer möglichen Verurteilung entzieht.«
Werkstatt-Termin
Kaum hatte ich den Anwalt verlassen, als mein Handy Alarm schlug. Jansen zitierte mich in die Redaktion – irgendetwas musste sich ereignet haben.
»Wir hatten einen anonymen Anrufer«, empfing er mich. »Er behauptet, dass eine Leiche in Radics Autowerkstatt liegt.«
»Wer ist es?«
»Keinen Schimmer. Darüber hat er sich ausgeschwiegen.«
»Was hast du unternommen?«
»Noch nichts. Wir sollten die Sache erst mal unter uns besprechen.«
»Vielleicht ist das Ganze nur ein Scherz«, gab ich zu bedenken.
»Und wenn nicht?«
Wir berieten eine Weile, beschlossen dann, die Information ernst zu nehmen und Dr. Cora Cosel zu unterrichten.
Die Oberstaatsanwältin arbeitete noch in ihrem Büro.
»Wir hatten einen anonymen Anrufer, der uns eine Leiche in Aussicht stellt«, teilte ich ihr mit. »Mein Kollege und ich fahren da jetzt hin. Haben Sie Interesse, uns zu begleiten?«
»Sagen Sie mir die Adresse«, forderte sie.
»Wir holen Sie am Justizgebäude ab. Vielleicht ist ja alles nur ein schlechter Scherz.«
»Ich gehe nie zu einem Tatort ohne die Begleitung von Polizeibeamten«, meinte sie reserviert.
»Dann machen Sie heute eben mal eine Ausnahme«, sagte ich. »Angst brauchen Sie nicht zu haben – ich bin ja bei Ihnen. Außerdem kommen noch zwei Männer mit – mein Chef und unser Fotograf.«
»Sie wollen sich die Story sichern«, erkannte Dr. Cora Cosel messerscharf.
»Also? Was ist? In zehn Minuten sind wir bei Ihnen.«
Die Oberstaatsanwältin war einverstanden. Ich hörte durch den Hörer etwas knirschen – das mussten ihre Zähne sein.
Im Auto saß sie neben mir. Jansen hatte sich auf den Rücksitz verzogen – Kavalier, der er war. Big Mäc wollte mit dem eigenen Fahrzeug anrollen – er befand sich gerade am anderen Ende der Stadt.
»Wo fahren wir hin?«, fragte Frau Cosel.
»Zur Werkstatt des Herrn Radic«, teilte ich ihr mit. »Dort soll die Leiche liegen, von der der Anrufer sprach.«
»Interessant«, meinte sie reserviert.
»Gibt es eine Möglichkeit, Herrn Radic aus der Haft zu entlassen?«, packte ich die Gelegenheit beim Schopf. »Er ist ein kranker Mann.«
»Das höre ich jeden Tag«, erwiderte Frau Cosel hart. »Alle Straftäter sind plötzlich krank, wenn es um angeordnete Haft geht.«
»Bei ihm stimmt es aber«, beharrte ich. »Seine Frau ist im Bosnienkrieg verschollen, sie ist vergewaltigt und wahrscheinlich umgebracht worden. Radic leidet darunter, dass er sie nicht beschützen konnte. Er hat schwere Depressionen.«
»Ich kenne seine Geschichte – sein Arzt hat sie mir erzählt.«
»Aber Sie kennen kein Erbarmen, nicht wahr?«
Ich hasste sie plötzlich. Frauen in so genannten Männerjobs sind manchmal noch schlimmer als Männer, dachte ich. Wütend gab ich Gas.
»Wie gut kennen Sie den Verdächtigen Radic?«, schnarrte sie.
»Das ist meine Sache.«
»Sie sind sich ziemlich nahe gekommen, nicht wahr?«
»Er fickt gut.«
»Grappa!«, rief Jansen entsetzt in meinem Rücken. »Muss das sein?«
»Lassen Sie nur«, sagte Cora Cosel milde, »ich kann mit diesem Begriff durchaus etwas anfangen. Frau Grappa kann meinen Wortschatz an Primitivausdrücken nicht mehr anreichern. Dafür habe ich in meinem Job genug erlebt.«
Ich fuhr inzwischen mit überhöhter Geschwindigkeit. Meine Laune befand sich auf dem Nullpunkt. Die Vorstellung, dass Nazmi Radic im Gefängnis schmorte, machte mich unglücklich. Und die hartherzige Frau neben mir machte mich krank und aggressiv.
»Fahr langsamer, Grappa!«, raunzte mich Jansen an. »Oder willst du, dass wir am nächsten Baum hängen bleiben?«
Ich schwieg verbohrt.
»Jetzt rechts!«, sagte Jansen. »Am Ende
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