Grappa 11 - Grappa und das große Rennen
der Straße links. Und wenn du dich nicht zusammenreißt und endlich zivilisiert fährst, halt an und lass mich ans Steuer.«
»Ist ja schon gut.«
Den Rest des Weges versuchte ich mein Temperament zu zügeln, indem ich einfach den Mund hielt, die Luft tief einsog und sie langsam wieder ausstieß.
Die Werkstatt lag im Hinterhof eines älteren Häuserblocks und schien zu früheren Zeiten eine Scheune gewesen zu sein. Das Gebäude war aus Backstein, durch ein riesiges zweiflügeliges Tor konnten Autos bequem rein- und rausfahren.
Wir sahen uns um. Niemand war zu sehen. Auch Big Mäc schien noch nicht eingetroffen zu sein. Der Abend verströmte eine diffuses Licht, genau richtig, um auf die Suche nach einer Leiche zu gehen.
Wir traten zum Tor. »Das Polizeisiegel ist aufgebrochen worden«, stellte Frau Dr. Cosel fest.
»Umso besser«, sagte ich cool, »dann brauchen wir das nicht mehr zu machen.«
»Gehen wir rein?« Jansens Frage war an die Staatsanwältin gerichtet.
»Lass uns wenigstens auf Big Mäc warten«, schlug ich vor, um Zeit zu gewinnen. Ich hatte plötzlich Angst vor dem, was uns im Inneren des Gebäudes erwarten würde.
»Da ist er schon!« Jansen deutete auf die Silhouette eines Autos, das mit ausgeschalteten Scheinwerfern auf den Hof fuhr.
Der Fotograf stieg aus, um den Hals verschiedene Kameras und die obligatorische Zigarette im Mundwinkel. »Hi Boss, hi Grappa, hi Doktor«, begrüßte er uns. »Was liegt an?«
Jansen gab ihm eine Kurzfassung der Ereignisse.
»Geile Sache, das!«, bewertete er die Schilderung. »Dann mal los!« Er hatte die Kamera schussbereit in der Hand.
Jansen nickte und drückte die Tür auf. Sie knarrte. Er wich zurück. Ein bisschen mulmig schien ihm auch zu sein.
»Ich such mal den Lichtschalter«, kündigte ich an, denn wir starrten in ein schwarzes Loch.
»Lass das, Grappa!« Big Mäc knipste seine Taschenlampe an. Er war wie immer bestens ausgerüstet.
Wir schauten uns um. Überall stand etwas herum, Werkbänke, Hebebühnen, alte Autoreifen, abgebaute Kotflügel und Motorhauben, ein altes ausgeschlachtetes Auto.
»Ein antiker Alfa Spider«, bemerkte Big Mäc und leuchtete zum Auto hin. »Schickes Teil, das. Wenn der wieder flott ist, wird ein Schmuckstück daraus.«
Wir traten näher zu dem Auto. Ich bemerkte etwas Buntes auf dem Fahrersitz; es sah aus wie eine Wolldecke, doch es war keine.
Jansen stammelte: »Mein Gott, da liegt einer.«
Er hatte Recht. Da lag wirklich jemand. Ein Mensch, nackt mit verrenkten Extremitäten, ein Mann, offensichtlich tot. Das Gesicht war nicht zu erkennen, denn er trug eine schwarze Ledermaske. Über den Unterleib hatte der Mörder eine Art bunte Wolldecke gelegt.
»Radic ist unschuldig«, murmelte ich und sah Frau Cosel an. »Begreifen Sie das jetzt endlich?«
»Machen Sie mal das Licht an«, bat sie Big Mäc.
Sekunden später war die Werkstat hell erleuchtet. Frau Cosel holte ihr Handy aus der Handtasche und begann zu telefonieren. Vermutlich mit der Polizei. Worte wie Notarzt, Rettungswagen und Spurensicherung klangen zu mir herüber.
Ich sah mir den schreiend bunten Stoff an, der auf der Leiche lag. Das Muster kam mir bekannt vor.
»Das gibt's doch nicht«, rief ich aus. »Das ist Mantheys Wollpullover. Der Mörder hat ihn damals mitgenommen.«
Fast hätte ich gelacht, so skurril war das Ganze.
»Bist du sicher?«, fragte Jansen ungläubig.
»Dieses grauenhafte Muster würde ich überall wieder erkennen.«
Frau Cosel hatte ihr Handy nicht mehr am Ohr.
»Es wird nichts angerührt«, befahl sie, »wir warten auf die Spurensicherung.«
»Mach mal ein paar Fotos«, sagte ich zu Big Mäc. »Danach nehmen wir ihm die Maske ab.«
»Das tun Sie nicht«, zickte die Staatsanwältin. »Wir warten noch.«
»Warum? So ein Quatsch!«
»Grappa!«, mischte sich Jansen ein. »Frau Cosel hat Recht. Ich will ja auch wissen, um wen es sich handelt. Wir haben die Story exklusiv. Wir können sie morgen früh im Blatt haben, die anderen erst einen Tag später. Frau Cosel hat sicherlich nichts dagegen, dass wir so lange hier bleiben, bis die Maske entfernt worden ist, oder?«
Die Oberstaatsanwältin nickte. Jansen warf mir einen Blick zu, der mir signalisierte, dass ich mich zurückzuhalten hatte. Ich resignierte. Das war heute nicht mein Abend.
Zehn Minuten später waren die ersten uniformierten Beamten da. Nachdem der Polizeifotograf das Fahrzeug von außen abgelichtet hatte, trat ein Kollege zum Wagen. Jetzt wurde es
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