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Grappa 11 - Grappa und das große Rennen

Grappa 11 - Grappa und das große Rennen

Titel: Grappa 11 - Grappa und das große Rennen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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gelogen waren. Ich mochte den alten Mann, der mit Mitte siebzig nicht nur noch alle Sinne beisammen hatte, sondern auch körperlich fit zu sein schien. Er war schlank und drahtig, bewegte sich wie ein Vierzigjähriger, sprach laut und deutlich, sein Lachen war frisch und die Befehle, die er seinen Mitarbeitern erteilte, waren eindeutig.
    Nach dem Vorgeplänkel kam ich zur Sache. »Was soll aus Ihrer Partei werden, wenn Sie nicht mehr da sind?«
    »Ich bin aber noch da – auch wenn ich nicht mehr Oberbürgermeister bin. Ich bin fit, mehr als manchem lieb ist.«
    »Wie meinen Sie das?«, fragte ich.
    »Ich werde mich weiter um die Partei kümmern. Es kann nicht angehen, dass ein paar Unfähige das Bild der SPD in dieser Stadt prägen.«
    »Was soll das heißen?«
    »Nun ja – die bisherige Parteispitze.«
    »Die ist aber ziemlich dezimiert worden.«
    »Aber sie haben ihre Spuren hinterlassen«, sagte Gottwald mit harter Stimme, »jahrelang haben sie die Partei für ihren eigenen Vorteil ausgenutzt.«
    »Und das fällt Ihnen erst jetzt auf?«
    »Ich habe mich in den vergangenen Jahren in erster Linie um diese Stadt gekümmert – und die Partei vernachlässigt. Ich hätte verhindern müssen, dass Bierstadt zum Selbstbedienungsladen für Bonzen wird.«
    »Dann sollten Sie dem Mörder dankbar sein«, schlug ich vor. »Er hat Ihnen viele Sorgen abgenommen.«
    »Ich freue mich nicht über den Tod von Menschen«, echauffierte sich Gregor Gottwald.
    »Jetzt kommen andere«, wandte ich ein, »die Tröge bleiben gleich, nur die Schweine, die an ihnen fressen, werden ausgewechselt.«
    »Eben. Deshalb muss verhindert werden, dass diese CDU-Frau, Frau Smart, Oberbürgermeisterin wird. Ihre Schweineherde soll sich nicht an den Bierstädter Trögen voll fressen.«
    »Also dann doch lieber wieder die Genossen an die Macht?«
    »Es muss und es wird einen Neuanfang in der SPD geben. Ich lasse mir mein Lebenswerk nicht kaputtmachen.«
    »Glauben Sie, dass es die ›Erneuerer in der SPD‹ wirklich gibt?«
    »Nein, sonst würde ich sie kennen«, antwortete Gregor Gottwald. »Aber ich hätte nichts dagegen. Sie hätten meine volle Unterstützung – was ihre Ziele anbetrifft, nicht ihre Mittel.«
    Ich überlegte, ob ich die nächste Frage stellen sollte. Es konnte ein Fehler sein, aber deshalb war ich schließlich hier. »Kennen Sie einen Dr. Arnim Lika?«
    »Auf Anhieb sagt mir der Name nichts«, behauptete der Noch-Oberbürgermeister. »Wer soll das sein?«
    »Ein Psychotherapeut. Ist ziemlich bekannt. Er ist bosnischer Serbe, lebt aber seit Jahren in Bierstadt. Er war gestern bei Ihnen.«
    »Ach ja.« Gottwald tat, als würde er sich wieder erinnern. »Lika. Dr. Lika. Merkwürdiger Typ. Er war nur kurz hier, dann hat mein Referent ihn verarztet.«
    »Und – was hat er gewollt?«
    »Er plant eine Veranstaltung mit prominenten Experten in der Bürgerhalle. Er will, dass die Stadt als Mitveranstalterin auftritt.«
    »Und?«
    »Ich habe ihm ausrichten lassen, dass er dieses Thema mit dem neuen Oberbürgermeister besprechen soll. Ich treffe keine Entscheidungen mehr – ein paar Wochen vor meinem Abschied.«
    Das war eindeutig. Nagel war nicht da gewesen und bei Gottwald war Lika abgeblitzt. Big Mäcs Observierungsaktion war ins Leere gelaufen.
    Wieder in meinem Büro, verfasste ich einen gefälligen Artikel über den großen alten Mann und seine Meinung über den Zustand der Bierstädter Mehrheitspartei.
    Gregor Gottwald macht sich Sorgen – Wird sein Lebenswerk zerstört?, so titelte ich. Zugegeben – die Theatralik, die ich in meine Zeilen legte, war nicht ganz angebracht, doch ich liebte es, mit meinen Berichten die Emotionen der Leser zu aktivieren.
    Vor mir sitzt ein trauriger Mann – traurig, wenn er an den Zustand seiner Partei denkt, deren Politik er seit Jahrzehnten mitgestaltet hat. Und jetzt, am Ende seiner Amtszeit als Oberbürgermeister, macht er sich Vorwürfe. Er habe zugelassen, dass diese Stadt zur Beute von Politikern werden konnte, die nur ihren eigenen Vorteil im Sinn haben. Gottwald rechnet damit, dass die Bürger seiner Partei am morgigen Wahltag einen Denkzettel verpassen. Gleichzeitig appelliert er an die Bierstädter Bürgerinnen und Bürger, es noch einmal mit der SPD zu versuchen. Immerhin seien nicht mehr alle Protagonisten von Filz und Machtmissbrauch an der Spitze der Partei, die jetzt die Gelegenheit habe, sich umfassend zu erneuern.

Stadt als Beute
    »Du machst dich aber verdammt rar«, weckte mich

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