Grappa 11 - Grappa und das große Rennen
Frauenbonus. Viele halten Frauen für weniger hart und machtgeil.«
»Das ist aber ein verdammter Irrtum.«
»Ich weiß«, sagte TOP grinsend, »ich kenne dich schließlich seit vielen Jahren.«
»Sehr witzig!«, maulte ich.
»Was ist los mit dir, Grappa?« TOP sah mich prüfend an. »Verstehst du keinen Spaß mehr? Du machst ein Gesicht, als wärst du dem Teufel höchstpersönlich begegnet.«
»Bin ich auch«, gab ich zu. »Und die Begegnung sitzt mir noch in den Knochen.«
»Willst du mit mir darüber reden?« Tom Piny schien ehrlich besorgt.
»Vielleicht später«, wehrte ich ab. »Lass uns unsere Arbeit machen, den Tag irgendwie hinter uns bringen.«
Gegen 18 Uhr kam die erste Prognose, die sich im Verlauf des Abends bestätigte. Die SPD verlor ihre absolute Mehrheit, musste also eine Koalition eingehen, um künftig die Politik dieser Stadt gestalten zu können.
Gerry Smart lag knapp vor Jakob Nagel – aber es reichte für beide nicht im ersten Wahlgang. In zwei Wochen würde eine Stichwahl stattfinden.
Trotzdem jubelten Smarts Anhänger, dass sich die Rathausmauern bogen. Die CDU-Kandidatin meinte in Fernsehinterviews, dass sie felsenfest davon überzeugt sei, in zwei Wochen auf dem Stuhl der Oberbürgermeisterin zu sitzen. Dann würden in Bierstadt andere Saiten aufgezogen.
»Diese verdammte Revolverschnauze!«, schimpfte eine Stimme neben mir. Es war Gregor Gottwald, der noch amtierende Oberbürgermeister. Er schien wirklich erregt zu sein, denn sein Atem ging stoßweise.
»Es gibt doch noch Hoffnung«, versuchte ich den alten Mann zu beruhigen. »Nagel wird's schon schaffen in zwei Wochen.«
Gottwald antwortete nicht, schnaufte nur etwas.
Die Bürgerhalle des Rathauses war noch immer schwarz vor Bürgern, die den Wahlausgang bedauerten oder begrüßten. In den Ecken hatten Fernsehsender ihre Scheinwerfer aufgebaut, Nagel und Smart gingen von Tisch zu Tisch und beide sagten überall Ähnliches. Dass sie sicher seien, in zwei Wochen Oberbürgermeister zu werden und so weiter. Und dass sie ihren Wählern von Herzen dankten. Also das gleiche Ritual wie immer.
»Kann ich ein Statement von Ihnen haben, Herr Gottwald?«, fragte ich sachte. Der OB hatte sich nicht vom Fleck gerührt.
»Es tut mir im Herzen weh, dass meine Partei nicht mehr die Mehrheit erlangt hat«, sagte der Angesprochene mit Dramatik in der Stimme. »In den nächsten zwei Wochen müssen wir darum kämpfen, dass wenigstens der erste Bürger der Stadt ein Sozialdemokrat bleibt. Ich werde mich jedenfalls voll einbringen!«
Ich schrieb mit, Gottwalds Zitate konnte ich fast immer wörtlich übernehmen.
»Ich muss los in die Redaktion. Auf Wiedersehen, Herr Gottwald«, verabschiedete ich mich.
»Viel Glück, Frau Grappa«, lächelte er nun. »Und seien Sie bitte vorsichtig.«
»Vorsichtig?« Ich hatte keine Ahnung, was der Ratschlag bedeuten sollte.
»Informationen müssen nicht immer in der Zeitung stehen«, erläuterte er. »Manchmal sind sie hilfreicher, wenn man sie zunächst im Kopf behält – damit man seine Aktionen besser planen kann.«
Gottwald hob die Hand zum Gruß und drehte ab. Ich sah ihm nach – noch immer ratlos, was seine Andeutungen sollten.
Polizeischutz
Ich hackte meine Reportage lieblos herunter, nur die jahrelange Routine bewahrte mich davor, völlig abzustürzen. Danach strebte ich schnurstracks meine Wohnung an. Ich war froh, als ich auf dem Sofa saß, ein Gläschen Pinot Grigio vor mir und eine paar müde Brotchips auf dem Tisch.
Die Enthüllungen über Likas Vergangenheit hatten mich zutiefst getroffen. Was würde Nazmi sagen, wenn er erfuhr, dass der Mann, den er für seinen Freund hielt, für die Qual und den Tod seiner Frau verantwortlich war? Konnte er die Wahrheit überhaupt verkraften?
Ich entschloss mich, vorläufig zu schweigen – wenigstens Nazmi gegenüber. Was hatte Gottwald gesagt? Informationen müssen nicht immer in der Zeitung stehen.
Hatte Gottwald mir etwa die Unterlagen geschickt? Und wenn ja, welchen Grund sollte er haben? Und – was hatte das alles mit den Morden an Junghans, Manthey und Knaup zu tun?
Gegen Mitternacht war ich so müde vom Grübeln, dass ich einschlief. Der letzte Gedanke, den ich dachte, hatte mit Peter Jansen zu tun. Ich musste mit ihm über den Inhalt des Briefumschlages reden.
Der nächste Morgen zeigte sich von seiner schönsten Seite – zumindest, was das Wetter betraf. Es war Mitte September, die Sonne hatte ihre Glut zwar verloren, es war aber noch
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