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Grappa 13 - Grappa und die acht Todsuenden

Grappa 13 - Grappa und die acht Todsuenden

Titel: Grappa 13 - Grappa und die acht Todsuenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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Zurschaustellung von Verfall, Armut und Einsamkeit.
    Niemals hier landen, dachte ich, und nahm mir vor, jemanden zu engagieren, der mich überfahren würde, bevor es dazu kommen sollte.
    »Guten Tag. Wir wollen zu Pfarrer Großmann«, sagte ich zu der Frau, die hinter der Anrichte saß und fernsah. »Wo finden wir ihn?«
    Sie guckte mürrisch hoch, aber ohne Interesse an uns, die wir sie zu stören schienen.
    »Er müsste im Garten sein«, antwortete sie und bewegte den Kopf nach rechts. Dort befand sich eine halb geöffnete Flügeltür, die ins Freie führte.
    Big Mäc stiefelte hinter mir her, die Kamera hatte er vor den Augen der Frau verborgen gehalten.
    Die Grünanlagen der Altenheime hatten eine ähnliche Ausstrahlung wie die Gebäude, die sie umgaben. Alles war ordentlich und pflegeleicht, die Beete waren wie mit dem Zirkel errichtet, der Rasen sattgrün und ohne die Spur von Unkraut, die Büsche durch Sägeschnitt domestiziert, lediglich die Edelrosen erlaubten sich Widerspruch durch von zu viel Regen angegriffene, rostige Blütenblätter und zu früh erschienene Hagebutten. Mücken sirrten und summende Bienen durchkämmten das Blumenzuchthaus auf der Suche nach Nahrung, sogar bei den Insekten hatte ich das Gefühl, dass sie sich in Reih und Glied anstellen mussten bei der allgemeinen Essensausgabe.
    Alte Menschen begegneten uns, manche saßen im Rollstuhl, einige hatten durch Leben oder Krankheit gezeichnete Gesichter, die mutlos wirkten.
    Ein enger Ring zog sich um mein Herz. Was war mit mir los? Warum schlugen meine Gedanken so ungewohnte, trübe Purzelbäume?
    »Da drüben, das muss er sein«, störte Big Mäc meine Sinnkrise.
    Ich blickte in die Richtung, in die er zeigte. Eine hagere Gestalt in einem schwarzen langen Gehrock stand an einem Teich. Das Gesicht des Mannes war aus der Entfernung nicht zu erkennen und doch sah ich es vor mir: durch Askese ausgezehrte Züge und Augen mit einem hellen, klaren Blick.
    Es überraschte mich nicht, dass ich Recht hatte.
    Der alte Mann überragte mich um einiges, sein weißes Haar war noch dicht und jemand hatte es exakt, aber ein wenig entgegen der Mode geschnitten, die Haut seines Gesichtes schien gegerbt und war tief gebräunt – als habe er den zu Ende gehenden Sommer auf einer Bank in diesem Garten verbracht.
    »Ich bin Maria Grappa«, sagte ich. »Pfarrer Großmann?«
    Er nickte, ich stellte Big Mäc vor und kam dann schnell zur Sache, erklärte ihm, dass es um das Kinderheim St. Vincenz ginge und um ein Kind, das dort gelebt habe.
    »Lassen Sie uns zu der Bank dort drüben gehen«, schlug er vor. »Ich liebe es, dort zu sitzen – inmitten von Rosen.«
    Der alte Mann ging voran. Er ging schnell und kraftvoll, der hagere Leib schien noch in gutem Zustand zu sein, wenn auch die Schultern ein wenig nach vorn geneigt waren.
    Plötzlich blieb er stehen und wandte sich um. »Mögen Sie Rosen?«, fragte er und blickte mich mit seinen merkwürdig hellen Augen an.
    »Ich bin eine Blume zu Saron und eine Rose im Tal« , murmelte ich versonnen . »Wie eine Rose unter den Dornen, so ist meine Freundin unter den Töchtern.«
    Der Gottesmann lächelte wissend, er hatte Salomons Hohelied erkannt und ging weiter.
    »Was redest du denn da für 'n Quatsch?«, fragte Big Mäc leise. »Durchgeknallt, oder was?«
    »Halt dich da raus«, zischte ich ihn an.
    Wir waren an der Gartenbank angekommen, ein aufgenageltes Metallschild verriet, dass sie eine Spende der örtlichen Volksbank war.
    »Ja, Rosen auch in Salomons Hohelied«, bemerkte der Pfarrer. »Ich sammle alles, was mit ihnen zu tun hat. Gedichte, Bilder, Fotos ...«
    »Schön«, sagte ich.
    »Diese Leidenschaft teile ich allerdings mit vielen anderen Menschen«, redete er weiter. »Rilke, zum Beispiel. Er war ein großer Rosenliebhaber, starb sogar, nachdem er sich an einem Dorn verletzt hatte. Auf seinem Grabstein steht der Satz: Rose, oh reiner Widerspruch, Lust, Niemandes Schlaf zu sein unter soviel Lidern. «
    »Schwer zu verstehen«, stellte ich fest. »Oder verstehe nur ich es nicht?«
    »Gar nicht schwer zu verstehen«, widersprach Großmann. »Die Rose symbolisierte für Rilke die Spannung zwischen Kraft und Zartheit ... wegen der zarten Lider, den Blütenblättern, und dem Widerspruch dazu, also den Dornen. Die Rose ist Sehnsucht nach Harmonie und Schönheit, nach Zartheit und Schmerz, nach reiner Liebe und dem Triebhaften ...«
    »Und was bedeutet der Schlaf der Rose?«, fragte ich.
    »Er bedeutet Entspannung

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