Grappa 14 - Grappa und der Tod aus Venedig
war für ein paar Tage mit ihrem Kleinen zu einer Freundin gefahren. Sie hat von dem Feuer nichts mitbekommen und war natürlich völlig geschockt.«
Das erleichterte mich. »Hat die Polizei schon eine Ahnung, warum das Haus gebrannt hat?«
»Es steht nur fest, dass es Brandstiftung war«, berichtete Kati. »Jemand hat Gerümpel im Hausflur mit Benzin übergossen und dann angezündet.«
»Ob das Feuer wirklich was mit den Morden zu tun hat?«
»Keine Ahnung. Es kann auch Zufall sein. Die Gegend ist ja nicht die beste und in dem Haus wohnen nicht nur Leute, deren polizeiliches Führungszeugnis schneeweiß ist.«
Wir verabschiedeten uns.
Ich winkte dem Kellner. Er hatte überhaupt keine Probleme damit, mir mitzuteilen, dass der Café Latte neun Euro kostete. Mit steinernem Gesicht legte ich einen Zehneuroschein auf das Tablett. Der Adonis verweilte, dachte wohl, ich würde ihm den einen Euro als Trinkgeld lassen. Ich machte ein Pokerface.
»Signora?«, fragte er. Ich sah auf und begegnete einem eiskalten Blick. Ein psychopathischer Kellner; ich dachte an die kopflose Frauenleiche im Rhein und verzichtete auf den Euro.
Als der Mann abgerauscht war, schnappte ich mir das Glas, in dem sich das zum Kaffee servierte Leitungswasser befunden hatte. Es war einigermaßen formschön und der Markusdom prangte in Golddruck darauf. Eine schöne Erinnerung für zu Hause, dachte ich. Bevor ich es jedoch in meiner Handtasche versenken konnte, spürte ich den Blick des Kellners. In seinen Augen glomm Mordlust.
Ich gab es auf, ließ das Glas stehen, kehrte dem Etablissement den Rücken und überquerte den Platz Richtung Wasser.
Langsam verzog sich die Sonne hinter die Wolken. Vom Meer kam eine Brise auf und es wurde ungemütlich. Ich ging vor zum Ufer, die Gondeln schaukelten auf dem unruhiger gewordenen Wasser auf und ab. Sie hatten lange, schwarze gebogene Hälse und erinnerten an tanzende Seevögel.
Die Gondeln waren leer, die Bootsführer hatten sich irgendwohin verzogen, wo es warm und gemütlich war. Das sollte ich auch langsam tun, mir war kalt.
Ich wandte mich vom Meer ab und Tauben umflatterten mich. Es waren kaum noch Touristen zu sehen, die alten Leute mit den kleinen Karren und dem Taubenfutter würden heute wohl noch nicht einmal einen durchschnittlichen Tag haben.
Ich verzog mich in eine Gasse, um dem Wind zu entgehen, und studierte erneut den Stadtplan.
Der Palazzo Contarini del Bovolo befand sich ganz in der Nähe. Ich trabte los, doch es war schwieriger, als ich dachte, den Weg zu finden.
Ich scheiterte ein paarmal an Sperrungen – Mauern wurden restauriert, bevor im Sommer ein paar Millionen Touristen in die Stadt einfallen würden. Ich pausierte, suchte auf der Straßenkarte andere Wege und hatte mich schließlich hoffnungslos verlaufen.
Verlaufen in Venedig wird bestimmt eine meiner häufigsten Übungen werden, dachte ich. Wenigstens ging es mir nicht allein so. Orientierungsloses Streifen durch die Stadt mit den vielen Wasserstraßen hatte immerhin literarische Qualität.
Ich holte den Mann aus der Tasche. Er hatte die Irrgänge seines Helden durch die Gassen so wunderbar beschrieben: Mit versagendem Ortssinn, da die Gässchen, Gewässer, Brücken und Plätzchen des Labyrinthes zu sehr einander gleichen, auch der Himmelsgegenden nicht mehr sicher, war er durchaus darauf bedacht, das sehnlich verfolgte Bild nicht aus den Augen zu verlieren, und zu schmählicher Behutsamkeit genötigt, an Mauern gedrückt, hinter dem Rücken Vorangehender Schutz suchend, ward er sich lange nicht der Müdigkeit, der Erschöpfung bewusst, welche Gefühl und immerwährende Spannung seinem Körper, seinem Geiste zugefügt hatten.
Auch ich spürte Spannung im Körper, doch sie hatte eindeutig ihren Ursprung in einem knurrenden Magen. In Bierstadt schien es mehr italienische Restaurants zu geben als hier.
Fünf Minuten später stand ich vor dem Palazzo – und ich war enttäuscht. Er war vollkommen verkommen, allein der berühmte Treppenaufgang war die Ansicht wert.
Noch zu Hause hatte ich mir einige Informationen zu dem Palast herausgesucht. Er war um einiges älter als die Palazzi am Canal Grande, war um 1500 herum gebaut worden und besaß eine berühmte Wendeltreppe, die Scala del Bovolo, was so viel hieß wie Schneckenhaus.
In diesem heruntergekommenen Ding hatten Hunze, Krawottki und Wiesengrundel ein Seminar veranstaltet, das pro Teilnehmer dreitausend Euro kostete?
Ich schlich ums Haus herum, überlegte, was
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