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Grappa 14 - Grappa und der Tod aus Venedig

Grappa 14 - Grappa und der Tod aus Venedig

Titel: Grappa 14 - Grappa und der Tod aus Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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Orientierungslosigkeit übertroffen. Trotzdem: Der schwere Schatten dort war mir sofort sympathisch.
    Du lernst nie was dazu, Grappa, schalt ich mich. Der küssende Koch ist bestimmt der schlimmste Casanova seit Giacomo selbst und der Komponist hat vielleicht vier Menschen mit einer Pumpgun erledigt, deren einziger Ton ein heftiger Knall war.
    Ich reichte meinem Nachbarn das Fernglas zurück. Baci hatte die Augen geschlossen und gab sich der Musik hin.
    Parlo, miser, o taccio? S'io taccio, che soccorso havrà il morire? S'io parlo, che perdono havrà l'ardire?
    Ich verstand immer noch kein Wort, aber Italienisch hörte sich einfach gut an, wenn es gesungen wurde.
    Die Madrigali waren zu Ende und gleich musste der Auftritt der Mezzosopranistin folgen, die das Klagelied der Ariadne vortragen sollte.
    »Da kommt sie«, flüsterte ich. »Veronica Franco.«
    Nein, sie kam nicht einfach, sondern sie schwebte, mit einer Hand das lange rubinrote Samtkleid raffend. Sie war groß und nicht besonders mager, hatte dickes blondes Haar, das gelockt und hochgesteckt war. Der Lichtspot verlieh ihrer Haut die rosig frische Farbe, mit der die Maler des Manierismus ihre weiblichen Modelle ausgestattet hatten. Sie schien wie aus einem Gemälde gestiegen.
    »Es ist tatsächlich die Frau, die beim Seminar dabei war«, informierte mich Baci. »Sie hatten Recht.«
    Die Musiker begannen.
    O Teseo, Teseo mio si che mio ti vo' dir, che mio pur sei, benchè t' involi, ahi crudo! A gli occhi miei ...
    Veronica Franco hatte eine wunderbar volle Stimme. Warm und sinnlich.
    Sie wurde von einer Gitarrone und den Klängen der Truhenorgel begleitet und sie interpretierte die Musik mit einem entrückten Ausdruck, an manchen Stellen wütend und leidend.
    Der Schatten, der wahrscheinlich Wiesengrundel war, hatte sich jetzt zurückgelehnt, lauschte wohl andächtig.
    Der terza parte begann und ich saß noch immer wie festgenagelt.
    Dove, dove è la fede che tanto mi guiravi? Così ne l' alta sede tu mi ripon de gl' avi?
    Son queste le corone onde m' adorni il crine? Questi gli scetri sono? Questi le gemme e gl' ori? Lasciarmi in abandono a fera che mi stracci e mi divori ...
    Nach dem Ausbruch von maßloser Wut über Theseus versank Ariadne nun in tiefe Mutlosigkeit und Resignation. Die Gesten der Sängerin wurden verhaltener, sie senkte den Kopf, sogar Tränen schimmerten in ihren Augen und plötzlich war da ein Ton, der nicht hierher gehörte: Ein scharfer Knall peitschte durch die Kirche, Menschen sprangen auf und einige schrien. Da schoss jemand!
    Es knallte noch einmal. Veronica Franco war beim ersten störenden Geräusch verstummt, auch die Musiker hatten aufgehört zu spielen. Beim zweiten Schuss fiel die Sängerin auf die Knie und sank dann ganz zusammen. Menschen verließen den Publikumsraum, andere duckten sich hinter den Stühlen, ein großes Durcheinander brach aus.
    Baci riss mich hoch und wir versteckten uns hinter einer Säule. Er hatte seinen Körper an mich gedrückt, schützte mein Gesicht mit seiner Hand, ich roch Zimt, Leder und Haut, hatte plötzlich Angst – so hatte ich mir den Abend nicht vorgestellt.
    Wo war Kati? Wo war Wiesengrundel? Was war mit der Sängerin?
    Ich lugte um den Koch und die Säule herum. Veronica Franco lag auf dem Boden, die Musiker beugten sich über sie, redeten auf sie ein. Wenigstens schien sie noch zu leben.
    »Kommen Sie«, sagte ich zu Baci. »Ich muss mit ihr reden.«
    Wir liefen nach vorn zur Bühne, doch es war unmöglich, an die Sängerin heranzukommen. Zu viele Leute standen um die Franco herum. Ihr Fragen zu stellen oder etwas zuzurufen, ohne Italienisch zu können, war sinnlos. Baci ging auf einen Mann zu und sprach mit ihm.
    »Was ist?«, fragte ich.
    »Sie hat nur einen Schock. Der Mann ist Arzt und war zufällig im Publikum. Gleich kommt ein Krankenwagen.«
    Jetzt rannten zwei Sanitäter in die Kirche, gefolgt von einem Notarzt.
    »Die Carabinieri kommen mal wieder zuletzt«, stellte Baci fest. »Vermutlich hat das Polizeiboot keinen Sprit mehr. Kommen Sie, wir haben hier nichts mehr verloren.«

Venezianische Beletage
    Michelangelo Baci hatte mich untergehakt und durch breite und enge Gassen und über kleine und große Brücken geführt, war schließlich vor einem Haus stehen geblieben, das sich von den anderen in dieser Straße unterschied. Es war nämlich restauriert – mit viel Aufwand, aber dezent. Der Aufschrift auf dem Klingelknopf entnahm ich, dass es Bacis Haus war. Er schloss auf und

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