Grappa 14 - Grappa und der Tod aus Venedig
mal wieder gegen mich gewonnen hatte, und ging ins Zimmer zurück.
Baci stand am Fenster und sah nach draußen. Ich stellte mich neben ihn. Beide schwiegen wir. Aus irgendeinem Hotelzimmer drangen Fernsehgeräusche zu uns, über uns verrückte ein Gast die Möbel. Die Störungen waren präsent, aber trotzdem unwirklich. Wir waren erotisiert – daran gab es keinen Zweifel.
Er legte seine Hand in meinen Nacken und zog meinen Kopf zu seinem. Die Augen hatte er halb geschlossen und er küsste mich. Erst vorsichtig, ein wenig abwartend. Mein leises Stöhnen deutete er als Erregung und Entgegenkommen, er küsste heftiger, der Griff in meinem Nacken wurde fester.
Jähes Verlangen überkam mich, sein Zimtgeruch machte mich an, ich knöpfte sein Hemd auf und legte meine kühlen Hände auf seine Brust, er zuckte zurück, ich ließ ihn nicht entkommen – wohin auch? Einen Schritt weiter und er wäre ins Bett gefallen.
Noch immer küsste er mich, süß und wild und herb, knabberte an meinen Lippen, leckte meine Ohrmuschel und sein Atem hörte sich an wie Meeresrauschen.
Küsse können kühl oder heiß, monochrom oder lebendig, pastos oder aquarell sein, ihre Farben reichen von eisigem Blau bis zum explodierendem Rot.
Manche Männer küssen gelb, das sind die Unentschlossenen, die Angst vor sich selbst und ihren Sehnsüchten haben, andere küssen orange, das sind die Spielerischen, die erst noch testen wollen, dann gibt es die grünen Küsse, die noch unerfahren und trotzdem gierig sind, und die grauen Küsse der Männer, die es lange nicht mehr getan haben, und die schwarzen Küsser, die es nicht aus Verlangen tun, sondern weil es eben dazugehört und sie eigentlich auf anderes aus sind.
Ich mochte orangefarbene Küsse und manchmal grüne, doch am liebsten waren mir die kräftig roten, die von tomatenrot bis zu rubinrot reichten.
Baci küsste in Tizian – keine wirkliche Überraschung in dieser Stadt und eine neue Rotvariante. Und er küsste ausgiebig in verschiedenen tempi, von adagio temperamente über allegretto con passione bis zu allegro con fuoco.
Er drückte mich gegen die Wand neben dem Fenster, nahm meine Arme und zog sie nach oben, seine Hände in meinen. Nun stand ich da wie ans Kreuz geschlagen, hilflos und fast bewegungsunfähig.
Bacis Lippen wanderten meinen Hals hinab zum Dekolletee.
»Da ist jemand an der Tür«, sagte er und ließ mich los.
»Bitte, Grappa, mach auf«, jammerte eine Stimme.
»Kati!«, rief ich. »Das ist Kati!«
Ich legte den Meter zur Tür in olympiareifer Geschwindigkeit zurück und riss die Tür auf.
Da stand sie, sah sich selbst aber nicht mehr sehr ähnlich. Das blonde Haar war verdreckt, die Kleidung nass und ruiniert.
»Was ist denn mit dir passiert?«, fragte ich und zog sie ins Zimmer.
»Ich bin in den Kanal gefallen«, schniefte sie.
Wasserfall
Michelangelo hatte die prekäre Situation erfasst und angeboten, einen Arzt zu holen. Doch Kati lehnte ab. Sie wollte nur eine heiße Dusche nehmen und dann schlafen. Ich merkte, dass sie nichts erzählen wollte, solange Baci noch bei mir war. Er verstand und verabschiedete sich mit der Ankündigung, sich bald melden zu wollen. Ich brachte ihn noch bis nach unten.
»Wir werden da weitermachen, wo wir eben aufgehört haben, Madonna«, raunte er mir ins Ohr, küsste mich auf die Wange und verschwand im Schwarz der Gasse.
Kati war in ihr Zimmer gewechselt, ich hörte nebenan Wasserrauschen. Wenig später kam sie zurück zu mir, in einen dicken Bademantel gewickelt. Sie bibberte noch immer.
»Und jetzt erzähl endlich!«, forderte ich sie auf.
Kati kroch auf mein Bett und ich legte eine Decke über sie.
»Ich habe den Typen verfolgt«, begann sie. »Ich sah, dass er eine Waffe unter seinem Mantel verbarg und dann schnell die Kirche verließ. Niemand außer mir achtete auf ihn, alle schauten nach vorn, kümmerten sich um die Frau oder waren in Panik.«
»Kannst du den Mann beschreiben, den du verfolgt hast?«
»Er war ziemlich klein und unheimlich schnell. Er war in einen schwarzen Umhang gehüllt und hatte einen schwarzen Hut auf dem Kopf. Seine Figur sah irgendwie teuflisch aus.«
»Das Gesicht? Hast du es erkennen können?«
Kati überlegte, schüttelte dann den Kopf. »Nein, es war schon zu dunkel. Ich hatte außerdem Mühe, mit ihm Schritt zu halten.«
»Du sagst, dass er klein war?«
»Ja, klein und zierlich und flink wie ein Wiesel.«
»Dann kann es Wiesengrundel nicht gewesen sein«, sagte ich. »Der ist
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