Grappa 14 - Grappa und der Tod aus Venedig
ließ mich vor sich eintreten. Das Gebäude war ein kleiner Palazzo, mit gekacheltem Entree, Holztreppe und gedrechseltem Handlauf.
»Gehen wir nach oben«, sagte Baci sanft. »Sie sollten sich jetzt entspannen.« Seine Stimme vibrierte leicht.
Die Treppe führte zu einem großen Raum, den ich diesem schmalbrüstigen Palast gar nicht zugetraut hatte. Das war wohl das berühmte Piano nobile, das vornehme Stockwerk direkt über dem Erdgeschoss, die Beletage der venezianischen Paläste. Es hatte sich doch gelohnt, den Kulturführer ausführlich zu studieren.
Die hohe Decke bestand genauso aus Holz wie das blank polierte Parkett – an den Wänden klebte eine Ledertapete mit eingestanzten Mustern.
»Welch wunderbares Haus!«, begeisterte ich mich.
»Ich habe den Palazzo vor zehn Jahren gekauft«, erklärte Baci. »Die Restauration war allerdings eine Herausforderung an meine Geduld.«
»Wie alt ist das Haus denn?«
»Es steht hier seit dem 15. Jahrhundert, wurde aber immer wieder der Mode der Zeit angepasst. Im 17. Jahrhundert haben die Besitzer die letzten entscheidenden Veränderungen vorgenommen. Er heißt übrigens Palazzo Soranzo dell' Angelo. «
»Allein der Name zergeht auf der Zunge«, geriet ich ins Schwärmen.
»Der Name bezieht sich auf den Engel am linken Flügel der Fassade. Im Innenhof gibt es noch eine Treppe aus der ersten Zeit, ich habe sie noch rechtzeitig vor dem Verfall retten können. Der rechte Flügel ist später gebaut worden – auch die Serliana.«
Baci entnahm meiner Miene, dass ich nicht viel von Architektur verstand, und fuhr fort: »Der Name Serliana kommt von dem Architekten Sebastian Serlio, der Ende des 15. Jahrhunderts gelebt hat. Es ist nichts weiter als ein Tor mit rundem Bogen, neben dem sich zwei schmale rechteckige Öffnungen befinden. Manchmal gibt es auch noch Säulen rechts und links. Sie finden diese Art hier fast an jedem alten Haus – es sollte wohl besonders repräsentativ aussehen.«
Ich setzte mich auf ein Sofa, das mit schwarz-weißem Fell bezogen war – ein gewagter Kontrast zu den Antiquitäten, die sonst hier herumstanden.
»Darf ich Ihnen einen Wein anbieten, Madonna?«
Ich nickte, noch ganz in meinen Betrachtungen gefangen.
Baci ging in einen Nebenraum, der wohl die Küche war. Ich nutzte die Gelegenheit, Kati anzurufen, um ihr mitzuteilen, dass mit mir alles in Ordnung sei, doch sie war unerreichbar, auch die Mailbox war nicht geschaltet. Dann eben später.
Ich wandte mich wieder der Einrichtung zu. Sie war exquisit, Baci hatte einen besonderen Geschmack. Die Kombination von alt und neu war toll! Auch die kühlen, abstrakten Gemälde gefielen mir, die eigentlich gar nicht in ein so antikes Haus zu passen schienen.
Baci kam zurück, in den Händen zwei schöne alte Weingläser, in denen es rubinrot funkelte.
Er prostete mir zu und wir tranken. Heute spürte ich den Alkohol sofort, das leise Frösteln, das mich seit dem Vorfall in der Frari-Kirche befallen hatte, löste sich in einem wohligen Warmgefühl auf.
Michelangelo setzte sich neben mich aufs Sofa und erzählte von dem Haus und der Mühe, es geschmackvoll zu restaurieren und dem venezianischen Pomp der vergangenen Jahrhunderte zu entgehen.
Baci wusste die Auseinandersetzungen mit Architekten und Arbeitern sehr witzig zu schildern. Er gefiel mir immer besser und der Alkohol tat sein Übriges. Es war schön, über etwas anderes zu reden als über Tote und Pumpguns.
Kati fiel mir wieder ein, ich versuchte es erneut, aber sie war noch immer nicht erreichbar. Baci wollte wissen, wer Kati war, und ich erklärte es ihm.
»Hoffentlich ist sie dem Attentäter nicht in die Hände gefallen. Langsam mache ich mir Sorgen um sie.«
»Wir können ja mal in Ihrem Hotel anrufen«, schlug er vor. »Vielleicht ist sie ja schon auf ihrem Zimmer und nur der Akku ihres Handys ist leer.«
Er stand auf, ging zum Telefon und wollte tippen. Woher weiß er die Nummer?, schoss es mir plötzlich durch den Kopf. Ich hatte ihm gegenüber den Namen des Hotels nie erwähnt.
Baci hielt inne, als ob er meine Gedanken erraten hätte. »Welches Hotel ist es denn?«
»Hotel Falier. Ich weiß die Nummer nicht aus dem Kopf.«
Während er jetzt tatsächlich tippte, betrachtete ich ihn. Ich hörte ihn leise sprechen, dann notierte er etwas, wahrscheinlich die Nummer des Hotels, wählte erneut und sprach wieder. Lass dich nicht einwickeln, so hatte Kati mich gewarnt. Leichter gesagt als getan, seufzte ich innerlich. Der Mann
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