Grappa 14 - Grappa und der Tod aus Venedig
zog mich an, und zwar sehr.
»Ihre Freundin ist noch nicht im Hotel«, teilte Baci mit.
»Wir müssen etwas unternehmen!« Ich sprang auf. »Sollen wir die Polizei informieren?«
»Madonna! Seit dem Konzert sind erst anderthalb Stunden vergangen!«
Er hatte Recht. Wahrscheinlich würden mich alle für überspannt halten.
»Nehmen Sie noch etwas Wein.« Baci füllte mein Glas und ich setzte mich wieder hin. Als ich nach dem Kelch greifen wollte, fasste ich ihn nicht richtig, er fiel hin und zerschellte auf dem Boden.
Ich ging in die Knie und sammelte Scherben auf, ein schnelles »Pardon« murmelnd. Ich benahm mich wirklich wie ein Dorftrampel.
Baci stürzte zu mir, ging ebenfalls in die Knie, riss meine Hand an sich. »Sie bluten ja!«
Er sah sich nach etwas um, das er auf die Wunde drücken konnte.
»Halb so schlimm«, stammelte ich.
Viel schlimmer waren die Rotweinflecken auf dem Boden und das zerstörte Glas, das sicherlich sehr wertvoll gewesen war.
Plötzlich wurde mir übel. War es der Wein oder waren es die Nachwirkungen des Attentates in der Kirche? Mein Kreislauf machte schlapp, Tränen rannen plötzlich meine Wangen hinunter. Jansen nannte diese Gemütsverfassung neuerdings ›Grappa light‹.
Baci hielt noch immer meine Hand, hatte ein Taschentuch herbeigezaubert, um das Blut zu stillen, mit dem anderen Arm drückte er meinen Kopf an seine Brust, ich schluchzte, schniefte und schnupperte Zimt.
Baci sagte etwas auf Italienisch, das mich wohl trösten sollte. »Vertrau mir, Madonna!«, flüsterte er. »Vertrau mir einfach.« Sein weißes Hemd war rot befleckt von Wein und Blut.
Farben und Tempi
In der Nähe des Palazzo befand sich eine Bootsanlegestelle, zu der Baci ein Taxiboot bestellt hatte. Wir schipperten durch viele kleine Kanäle, die rii hießen, und ich wunderte mich, wie viel Verkehr um diese Uhrzeit hier noch herrschte. Ich hatte mich wieder im Griff, der Augenblick der Schwäche war überwunden.
»Irgendwann will ich mal mit einer echten Gondel fahren, wie es jeder Tourist tut«, sagte ich. »Kommt in jedem Film vor und gehört einfach dazu!«
»Gondeln sind sehr langsam«, wandte Baci ein. »Und die Gondoliere ziehen den Touristen viel zu viel Geld aus der Tasche.«
»Es ist aber doch so romantisch«, beharrte ich. »Die Bootsführer reißen sich das Hemd auf und singen ein sanftes Lied. Und im Mondlicht blitzt das Goldkettchen.«
Baci lachte und zog mich an sich, um mich zu wärmen, denn der kleine Kanal mündete in einen großen und heftiger Wind kam auf. Nach ein paar Minuten setzte uns das Taxi an der Piazzale Roma ab, von hier aus waren es nur wenige Schritte bis zum Hotel.
»Darf ich dich ins Hotel begleiten?«, fragte Baci. »Nur zu deinem Schutz.«
»Meinst du, der Mörder wartet im Foyer auf mich?«
»Du scheinst die Unordnung und das Chaos anzuziehen«, meinte er und wusste nicht, wie Recht er hatte.
An der Rezeption saß allerdings nur ein alter Mann, der aus dem Halbschlaf schreckte, als ich den Schlüssel zu meinem Zimmer verlangte. Katis Schlüssel hing immer noch am Brett.
Ich fragte nach einer Nachricht von ihr. Nein, es gab keine.
»Möchtest du für einen Moment mit auf mein Zimmer kommen?«, fragte ich.
»Natürlich. Ich muss doch dafür sorgen, dass du sicher ins Bett gelangst.«
Wir warfen einen Blick auf den Portier, der jedoch zuckte nicht mit der Wimper. Wir gingen nach oben und ich schloss die Tür auf.
»Setz dich irgendwo hin, wo Platz ist«, bat ich.
»In diesem kleinen Zimmer kann sich wirklich kein Mörder verstecken«, schüttelte er den Kopf. »Diese Venezianer sparen an allem. Gibt es hier wenigstens eine Minibar?«
»Siehst du eine? Ich kann dir nur ein Glas aqua veneziana anbieten.«
»Wahrscheinlich schöpfen die Kellner das Wasser aus dem Canal Grande, weil das billiger ist«, unkte er.
»Ich geh mal eben ins Bad. Bin gleich wieder da.«
Im Spiegel überprüfte ich mein Aussehen – ich war etwas zerzaust durch die Bootsfahrt, aber okay. Naturale eben.
Willst du ihn?, fragte mein Kopf den Bauch.
Natürlich, antwortete der.
Und danach?, fragte der Kopf.
Egal, antwortete der Bauch.
Du lernst auch nie dazu, seufzte der Kopf.
Ich komm auch so über die Runden, zuckte der Bauch die Achseln.
Dann dreh ich mal 'ne Runde um den Block, gab der Kopf auf. Du machst ja doch, was du willst.
Eben! Pass auf, dass du nicht in den Kanal fällst, sagte der Bauch aufatmend. Oder dich verläufst.
Ich lächelte mir im Spiegel zu, weil ich
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