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Grass, Guenter

Grass, Guenter

Titel: Grass, Guenter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Grimms Woerter
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erregte, mehr noch, Anlaß für schroffe Widerworte bot; nannten
die Brüder doch den Ausgewiesenen einen »ungelegenen Gast« und sahen in ihm
jemanden, der »ihre Freude gestört« hat. Zwar beteuerten sie Mitgefühl »mit
einem Mann, der von anderen gemieden wird«, waren aber nicht bereit, »seine
Meinungen und Handlungen überall zu vertreten und gutzuheißen«. Ferner lehnten
sie in der publicierten Erklärung ab, sich ihre politische Gesinnung, »die wir
nie zur rechten Zeit verhohlen sondern bewährt haben«, von anderen abfordern zu
lassen. »Nichts hassen wir bitterer, als sie jeden Augenblick ohne Not
schauzutragen und frevelhaft preiszugeben. Vielmehr«, stand am 6. März in der
Vossischen zu lesen, »wollen wir in Ruhe und Frieden arbeiten.«
    Nunja,
klare Parteinahme lag ihnen nicht. Doch schlug sich die schnell vermutete
Rücksicht auf Preußens König, der die Grimms bezahlte, und ihre auf Rückzug ins
Private beruhende Haltung in Zeugnissen satt an Zorn und Spott nieder,
landesweit in vielen Gazetten.
    Einer
der Dichter des »Jungen Deutschland«, Karl Gutzkow, gab Spottverse in Umlauf:
»Einmal erklärten wir uns, laßt uns doch ferner in Ruh!«
    Dahlmann,
der getreue Göttinger Leidensgefährte, ging zu den Brüdern deutlich auf
Abstand.
    Sogar
Bettine, der schließlich nachgesagt worden war, sie sei die eigentliche
Urheberin des Scandals, weil sie Fallersleben angestoßen habe, zu den
Grimmbrüdern vor die Tür, auf den Balkon oder ans Fenster zu treten und sich
mit ihnen feiern zu lassen, sagte zu ihrer Schwester Gunda, die mit Savigny
verheiratet war: »Mit Ehren kann ich nicht mehr zu den Grimms gehen.«
    Noch
mehr waren die Studenten verwirrt und enttäuscht, weil sie ihre Idole ins
Zwielicht gerückt sahen.
     
    Es
dauerte Jahre, bis sich Bettine wieder näherte, Dahlmann wiederum Briefe
schrieb. Doch ganz war der Distanz schaffende Conflict nicht aufzuheben.
Besonders Jacob verharrte im Starrsinn. Und sogar Wilhelm bestand darauf,
gekränkt zu bleiben; wohl deshalb stockte die von ihm betreute Veröffentlichung
des Arnimschen Nachlasses.
    Nur
Gervinus, wenngleich von radical-democratischer Gesinnung, hielt auf Dauer zu
den Grimmbrüdern. Und Fallersleben, der allen Grund hatte, sich verletzt zu
fühlen, blieb still, mochte die Narbe auch jucken. Weiterhin zog er von Ort zu
Ort, schrieb seine unverwüstlichen Kinderlieder und fand später, als er endlich
abseits der Politik zur Ruhe gekommen war, collegiale Contacte zu Jacob.
    Auch
hielten die Leipziger Verleger des noch immer ungedruckten und mittlerweile ins
Vergessen geratenen Wörterbuchs unbeirrt zu den Brüdern. Hatte doch Salomon Hirzel
schon am 28. März 1844 beiden versichert: »Als ich Ihre Erklärung gelesen, war
ich keinen Augenblick zweifelhaft, daß Hoffmann mit Vorwissen dessen, was
geschehen werde, zu Ihnen gekommen. Ihnen gegenüber war das ein Bubenstück,
dessen ich ihn nicht fähig gehalten hätte, an dem aber seine maßlose Eitelkeit
nicht den kleinsten Theil haben wird.«
    So
conträr gingen die Meinungen auseinander und markierten, um nochmals auf den
Buchstaben C zu kommen, eine Cäsur im sonst ereignislosen Leben der Brüder.
    Wennzwar
Jacob Grimm dieses Stichwort ausgespart hat, gibt es Gründe genug, es hier
nachzutragen, mehr noch, sich selbst nach vergleichbar einschneidenden
Conflicten zu befragen: In welche Controversen warst du verwickelt? Was hat
dich ins Zwielicht gerückt? Wie bist du zu einem Schriftsteller, der dir in
manchem nicht fern stand, in Distanz geraten? Was schmerzt immer noch und wäre
besser nicht geschehen? Welch öffentlicher Scandal wurde dir, um nicht
Einschnitt sagen zu müssen, zur Cäsur?
     
    Anfang
der siebziger Jahre, als der Protest sich verlaufen hatte, doch Aufrufe zur
Gewalt immer noch Sprechblasen blähten, ging es um ein Theaterstück namens »Der
Dra-Dra«, das der Liedersänger Wolf Biermann aus dem Russischen ins Deutsche
übersetzt hatte. Nein, vielmehr ging es um das Programmheft zu diesem Stück,
das in den Münchener Kammerspielen aufgeführt werden sollte. Noch genauer: um
zwei Seiten des Programmheftes ging es, auf denen paßbildgroß die Fotos
einiger als bekannt geltender Politiker, kirchlicher Würdenträger und
sogenannter Führungskräfte aus den Chefetagen der Wirtschaft abgebildet werden soll ten. Die Absicht war, sie
als durch und durch korrupte Charaktermasken zur Schau zu stellen, was einigen
der kenntlich gemachten Personen entsprach.
    Damals
war

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