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Graveminder

Graveminder

Titel: Graveminder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Marr
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erwiderte ein silbriger Umriss mit schwarzen Augenhöhlen ihren Blick. Es war in Ordnung. Sie begriff es. Um die Toten zu finden und nach Hause zu bringen, um sie in ihren Gräbern zu halten, musste sie ihnen ähnlich werden. Sie gehörte nicht mehr ganz der Welt der Lebenden an und war trotzdem an diese Welt gebunden. Durch Byron. Er war ihr Anker.
    »Ich bin nicht hier«, flüsterte sie vor sich hin.
    »Beks?« Byron berührte sie an der Schulter und war im Spiegel zu sehen. Im Gegensatz zu ihr leuchtete er geradezu. Seine Augen waren von einem so strahlenden Grün, dass sie ihn sogar im Dunkeln sehen zu können glaubte.
    Wie ein Licht, das sie nach Hause führte.
    »Du bist hier, Rebekkah«, versicherte er ihr. Er stand neben ihr, die Hand auf ihrer Schulter.
    Sie konnte nicht sprechen, wusste nicht, wie sie die Gedanken, die in ihrem Kopf flüsterten, in Worte fassen sollte. Daher nickte sie. Im Moment brachte sie nicht mehr zustande. Seine Hand auf ihrer Schulter schien das Gefühl der Auflösung zu lindern. Er war das Rettungsseil, das sie mit der Welt der Lebenden verband.
    Und sie musste ihn beschützen.
    Dazu musste sie Daisha finden.
    Kurz schloss Rebekkah die Augen. Die Zunge schien ihr zu groß in ihrem Mund, und ihre Stimme klang irgendwie falsch, aber sie musste Byron etwas erklären.
    »Daisha war hier … oder jemand, der ihr gleicht.« Sie hob die Augen und begegnete seinem Blick im Spiegel. »Daisha braucht meine Hilfe, um ihren Weg nach Hause zu finden.«
    Byron nahm seine Hand weg. »Ich muss mich um jene kümmern, die sie getötet hat. Das ist auch meine Aufgabe.«
    Rebekkah nickte stumm.
    »Chris!«, rief Byron. »Wir sind fertig.«
    Dann ging Rebekkah nach draußen, während Byron und Christopher die Toten in versiegelte Leichensäcke steckten. Diese beiden würden nicht aufwachen. Sie würde bei ihrer Totenwache die richtigen Worte sprechen, und dann würde sie während der nächsten paar Monate ihre Gräber besuchen. Byron würde sich um die Einzelheiten kümmern, die zur Welt der Lebenden gehörten, um die Totenwache und das Begräbnis, und sobald die Körper in der Erde lagen, würde sie dafür sorgen, dass sie auch dort blieben.
    Wie Maylene es für Daisha hätte tun sollen.
    Wäre Daisha begraben und versorgt worden, wäre sie nicht erwacht. Was hieß, dass sie nicht behütet worden war. Hatte sie einen Unfall gehabt? Warum hatte ihn dann niemand gemeldet? War sie umgebracht worden? Es musste einen Grund dafür geben, dass das tote Mädchen aufgewacht war, einen Grund, warum sie nicht dort ruhte, wo sie hingehörte, und Rebekkah musste diesen Grund herausfinden.
    Nachdem sie sich um Daisha gekümmert hatte. Oder sich zumindest darum bemüht hatte.
    Rebekkahs Pflicht galt in erster Linie den Toten, und als sie auf dem braunen Gras vor dem Wohnwagen stand, wurde ihr klar, dass das tote Mädchen, das das Paar im Innern umgebracht und teilweise gegessen hatte, etwas benötigte, das sie bisher nicht bekommen hatte. Rebekkah musste ihr den Frieden schenken, der ihr bisher verwehrt geblieben war.

41. Kapitel
    Alicia nahm keinen ihrer Männer mit. Boyd nörgelte, aber er benahm sich meist wie der ältere Bruder, den sie nie gehabt hatte. Daher hatte sie schon vor Jahrzehnten aufgehört, sich um seine Einwände zu kümmern.
    Die Wachmänner, die der Undertaker erschossen hatte, lagen noch immer rechts und links neben der Tür, doch auf der nächstunteren Stufe standen zwei Ersatzleute. Alicia richtete eine Flinte mit abgesägtem Lauf auf den ersten der beiden. »Müssen wir darüber diskutieren, ob ihr mich hineinlasst?«
    Charlies Leibwächter Ward öffnete die Tür. »Werden Sie es nicht leid, Leute zu erschießen, Alicia?«
    Sie neigte den Kopf zur Seite. »Ehrlich gesagt nein. Und Sie?«
    »Schätze, das kommt auf den Tag an.« Ward winkte sie nach drinnen. »Er erwartet Sie.«
    »So etwas habe ich mir schon gedacht. Obwohl ich mir lieber den Weg freischösse, statt ihm gegenüber höflich zu tun.«
    Ward war so klug, keinen Kommentar abzugeben.
    Alicia steckte das Gewehr über die Schulter in den Holster, den sie dafür konstruiert hatte, und schenkte Ward ein schelmisches Lächeln. »Ich suche den elenden Mistkerl, der glaubt, diesen Laden unter sich zu haben!«, schrie sie dann.
    »Muss das sein?«
    »Ich könnte auch auf Gegenstände schießen«, schlug sie vor. »Das scheint immer seine Aufmerksamkeit zu erwecken. Jetzt, da Sie es sagen …« Sie griff wieder nach der Flinte, aber

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