Gray Kiss (German Edition)
leiden wird. Erlös sie von ihrem Elend!“ Doch der Dämon klang nicht froh, eher nach dunkler Gewissheit. Er wollte nicht grausam sein. Die beiden hatten das Thema offensichtlich besprochen.
Was zu tun sei, wenn ich die Stase erreichte.
„Ich dachte, sie wäre dir nicht egal“, presste Bishop hervor. „Habe ich mich am Ende getäuscht?“
Verächtlich schaute Kraven ihn an. „Weil ich einen schnellen, kurzen Tod vorschlage statt ein Zerfließen auf der Straße? Weil ich nicht erleben will, wie sie zum totalen Psychopathen mutiert? Klar, du hast recht. Vielleicht ist sie mir scheißegal.“
Bishop fluchte. „Geh zurück auf diese Party. Such die anderen und hilf ihnen. Ihr müsst diesen Engel aufhalten!“
„Warte. Was ist mit … Ich könnte sie noch mal küssen, wenn es hilft.“
„Es hilft jetzt nicht mehr.“
„Aber …“
„Nein. Du wirst sie nie mehr küssen.“
Bishop hob mich hoch, als wöge ich nicht mehr als eine Feder, und drückte mich an seine Brust. Dann drehte er sich um und rannte mit mir davon. Ich konnte kaum den Kopf heben, doch ich sah, dass Kraven stehen blieb und uns mit leerem Blick hinterhersah.
Er wusste es genauso gut wie ich - ob ich nun überlebte oder starb: Das war mein Ende.
26. KAPITEL
Kraven hatte es auf den Punkt gebracht. Heute Nacht würde ich entweder sterben und verschwinden oder in den zombieartigen Zustand versetzt werden. Falls ich überlebte, endete ich als Monster.
Als lebender Albtraum.
Dann lieber sterben.
Es ging alles zu schnell. Ich hatte zwar gespürt, dass die Stase kommen würde, aber ich hatte eigentlich gedacht, bei mir wäre es anders. Ich hatte die Lügen geglaubt.
Ich war überhaupt nicht anders. Ich war eine Gray. Und hatte Angst vor dem, was als Nächstes geschehen würde.
Bishop erreichte ein Wohnhaus und trat kurzerhand die Haustür ein. Die Tür splitterte und schwang auf. Drinnen war alles dunkel, niemand daheim. Bishop trug mich ins Wohnzimmer und legte mich vorsichtig auf die Couch.
Ich begann zu zucken. Aber nicht vor Schmerz. Etwas Schlimmes passierte mit mir. Die Kombination aus Kälte und Hunger machte mich taub und gefühllos und umhüllte mich - wie ein von einer Raupe gewebter Kokon. Ich sah nur noch verschwommen, und meine Haut fühlte sich kalt an wie Eis.
„Was kann ich tun?“, erkundigte sich Bishop. „Wie kann ich dir helfen? Ich brauche Zeit, um Stephen finden, damit ich dir deine Seele zurückgeben kann. Es ist noch nicht zu spät.“
Ich schüttelte nur noch den Kopf. Es war zu spät. Es geschah, und zwar in diesem Augenblick. „Stephen hat gesagt, man könnte die Stase nur hinauszögern, indem man sich nährt.“
„Warum hast du mir das nicht vorher gesagt?“ Er klang wütend. „Wieso erst jetzt?“
Das Etwas in mir nahm von meinen Fingern und Zehen Besitz, alles wurde eisig kalt. „Weil es keine Rolle mehr spielt. Ich würde es sowieso nicht machen. Ich würde das niemandem zufügen - nicht noch einmal. Ganz egal, was passiert.“
„Du hättest es mir erzählen müssen, Sam! Verdammt noch mal!“
Er nannte mich nie Sam. Immer nur Samantha. Immer ganz förmlich - und ich mochte es, wie er meinen Namen aussprach. „Aber ich darf nicht essen. Ich kann nicht …“
Und plötzlich presste er seinen Mund auf meinen. Ich schrie überrascht auf. Er küsste mich tief und innig und schloss mich dabei fest in die Arme, hob mich vom Sofa.
Davon hatte ich immer geträumt - Bishop und ich küssten uns eng umschlungen.
Doch so sollte es nicht sein.
„Iss“, flüsterte er. „Los, nähr dich, Samantha!“
Sein Pulsschlag hämmerte wild, während mir die Kräfte schwanden. Ich konnte seine Seele immer noch spüren und verlangte nach ihr wie nach sonst nichts auf der Welt, aber da war eine Wand, die mir den Zugang zu ihr versperrte - selbst wenn ich sie hätte nehmen wollen. Ich ertrug den Gedanken nicht, ihn zu verletzten, auch wenn mir im Grunde keine andere Wahl blieb. Hätte er das früher getan, hätte ich mich nicht beherrschen können und ihn für immer zerstört.
Jetzt allerdings hatte ich mich im Griff - und dafür gab es einen guten Grund.
Oder besser gesagt: einen schlechten Grund.
„Es ist zu spät“, flüsterte ich.
„Nein.“ Er klang verzweifelt. „Das werde ich nicht akzeptieren.“
„Ich sterbe.“
„Nein!“ Er sprang auf und versetzte dem Couchtisch einen Tritt, der daraufhin krachend in der Wand landete. Bishop sah mich schmerzerfüllt an. „Hol dir meine Seele. Nimm sie
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