Green, Simon R. - Todtsteltzers Erbe
professi
onell ausgebildeten, schwer bewaffneten Wachleuten
wimmelte … dort hätte Lewis verdammte Schwie
rigkeiten gehabt, wollte er eindringen. Deshalb muss
te er sich schon fragen, ob man sie absichtlich in den
Blutturm gesteckt hatte, um ihn in eine Falle zu lo
cken. Er selbst wäre so vorgegangen. Letztlich war
es jedoch nicht von Belang. Er hatte angekündigt,
dass er sie holen würde, und er würde sie holen. Egal
wie viele Wachleute oder Waffen oder Fallen ihn
erwarteten.
Auch wenn ihm die Hölle selbst den Weg ver
sperrt hätte.
Die Nacht brach herein, und Lewis verließ den
Slum in schlichter, anonymer Kleidung und hinter
der Holoprojektion eines schlichten, anonymen Ge
sichts. Niemand schenkte ihm Beachtung. Er fuhr
mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Blutturm und
achtete darauf, das Fahrgeld immer mit dem präzise
abgezählten Kleingeld zu bezahlen, damit der Fahrer
sich später nicht an ihn erinnerte. Als er an der rich
tigen Station aus dem Bus stieg und den Turm hin
aufblickte, der prachtvoll vor ihm aufragte, groß und
wuchtig und völlig undurchdringlich, entdeckte er
überrascht eine laut singende Menge davor. Jesamine
Blumes Fan-Gemeinschaft hatte sich per Internet
mobilisiert und war in großer Zahl ausgerückt, und
frische Busladungen brachten stündlich Verstärkung
aus anderen Städten. Sie reagierten mit Entrüstung
auf die Verhaftung ihrer geliebten Diva, ihres Idols,
und waren wütend wie Teufel. Die Wachleute, die
man aufgestellt hatte, um nach Lewis Todtsteltzer
Ausschau zu halten, waren jetzt mehr darum besorgt,
eine immer hysterischere Menge aus Jesamine
Blume-Fans abzuwehren, die sich laut und wütend
weigerten, auseinander zu laufen und nach Hause zu
gehen, wie man es ihnen befahl. Zornige Transparen
te wurden geschwenkt, es wurde viel im Chor gesun
gen, und nicht wenige Steine flogen. Die perfekte
Deckung für Lewis, um den Turm und seine Vertei
digung kritisch zu mustern, ohne dabei aufzufallen.
Ernste Probleme brachen nur zehn Minuten später
aus, nachdem er eingetroffen war. Der Mob drängte
vor, war über jeden gesunden Menschenverstand
hinaus aufgebracht, bewegt von der simplen Ent
schlossenheit, seine angebetete Heldin aus dem be
rüchtigten Blutturm zu befreien. Durch schiere Mas
se bahnten sich die Leute einen Weg an den schwa
chen Fesselfeldern vorbei und nahmen dann Kurs auf
die dünnen Reihen der Wachleute, als hätten sie vor,
diese einfach niederzurennen. Die Wachleute ihrer
seits hatten den strikten Befehl, nicht auf unbewaff
nete Zivilisten zu schießen (jedenfalls nicht, solange
die Medien zusahen), und so wappneten sie sich, zo
gen ihre elektrischen Schlagstöcke und stellten sich
Mann gegen Mann der brüllenden, spuckenden Men
ge. Lewis zuckte zusammen, als er das Geschehen
verfolgte, und konnte kaum erkennen, welche Seite
bösartiger oder entschlossener wirkte. Weitere
Wachleute kamen von den anderen Seiten des Turms
angelaufen, um die Verteidigungslinien zu verstär
ken. Und für Lewis war es die einfachste Sache der
Welt, sich an allen vorbeizuschleichen, das Getüm
mel zu umgehen und den Turm durch eine unbe
wachte Seitentür zu betreten, wobei er seinen alten
Paragon-Hauptschlüssel benutzte.
Sobald er im Turm war, schloss er die Tür leise,
verschloss sie aufs Neue und kontrollierte schließ
lich, ob das unauffällige kleine Gerät noch funktio
nierte, das er aus seinem Lagerraum mitgebracht hat
te. Im Wesentlichen diente es dazu, die Überwa
chungskameras anzuzapfen und sein Bild aus den
Aufnahmen zu entfernen. Simpel, sehr wirkungsvoll
und völlig illegal. Nur im Besitz dieses Geräts ange
troffen zu werden, das zog schon eine lange Frei
heitsstrafe nach sich. Lewis hatte es vor ein paar Jah
ren einem Schurken im Slum abgenommen, als er
ihn verhaftete … und war irgendwie nie dazu ge
kommen, es abzuliefern. Stets hatte er das Gefühl
gehabt, es könnte ihm einmal von Nutzen sein.
Er sah sich rasch um, aber der schmale Gang war
völlig leer. Lewis zögerte und dachte erneut voller
Zweifel an den Hauptschlüssel, der ihm Einlass ge
währt hatte. Sicherlich hätte man doch erwarten sol
len, dass er ihn benutzte, und die Schlösser des
Turms neu einstellen müssen, damit er nicht herein
kam? Oder vielleicht war das ein Teil der Falle, und
irgendwo war bereits lautloser Alarm ausgelöst und
kündete von seinem Eintreffen. Er zuckte die Ach
seln. Es kam nicht darauf an. Es hieß nur, dass er
sich mehr beeilen
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