Gregor und der Fluch des Unterlandes
wir es immer wieder im Guten versucht haben, und seht, wohin uns das geführt hat!«, sagte der Fluch.
Jetzt stellte er sich auf die Hinterbeine und richtete sich zu seiner vollen Größe auf. »Es ist ein Naturgesetz. Die Starken bestimmen über das Schicksal der Schwachen. Sind wir schwach? Sind wir die Schwachen?«
Die Ratten sprangen hoch und schrien: »Nein! Nein!«
»Dann sammelt eure Kräfte und kämpft mit mir! Wir haben viele Feinde. Die Schlacht, die vor uns liegt, wird eine lange, blutige sein. Es wird eine schwere Schlacht werden. Doch wenn ihr zu verzagen droht, besinnt euch auf den Hass in euren Herzen und schöpft daraus neue Kraft. Denkt an das Lachen der Krabbler, das hämische Grinsen der Menschen, denkt daran, wie die Huscher sich fett fressen, während wir verhungern, und dann fragt euch, ob ihr den Mut für das habt, was vor euch liegt!«
Die Menge jubelte dem Fluch zu.
»Ihr sagt, ich soll euch führen? Ich werde euch führen! Aber ein Führer ist nur so stark wie die Streitmacht, die hinter ihm steht. Seid ihr stark?«, brüllte der Fluch.
»Ja!«
»Steht ihr hinter mir?«, rief er.
»Ja!«
»Dann können unsere Feinde machen, was sie wollen. Niemand im ganzen Unterland kann uns aufhalten!« Der Fluch legte den Kopf in den Nacken und stieß einen grauenhaften Kampfschrei aus, und die Menge unter ihm rastete völlig aus.
Gregor ließ sich gegen die Mauer der Höhle sinken, schwindlig und atemlos. »Oh nein.« Er war erschrocken über die Bosheiten, die der Fluch verbreitete, fast noch mehr aber darüber, wie überzeugend er sie vortragen konnte. Er ist bei Twirltongue in die Lehre gegangen, dachte Gregor. Sie hat ihm Ideen in den Kopf gesetzt und ihm beigebracht, wie er sie vorbringen muss. Und jetzt glaubt er selbst daran.
Luxa und Howard sahen blass und erschrocken aus. »Er ist ein Monster«, sagte Howard. »Hast du gehört, was er gesagt hat? Ist er verrückt? Wie kann er die Pest den Huschern in die Schuhe schieben?«
»Die anderen haben ihm geglaubt«, sagte Luxa.
»Ich hätte ihm beinahe selbst geglaubt«, sagte Ares. »Es klang alles so einleuchtend.«
»Was hat er mit den Huschern vor?«, fragte Aurora. »Was meint er mit dem Ort, von dem es keine Wiederkehr gibt?«
»Ich weiß nicht. Ganz gewiss will er sie aus dem Unterland hinaustreiben«, sagte Howard.
»In die Länder, die nicht auf der Karte verzeichnet sind«, sagte Luxa.
Die Ratten wurden allmählich ruhiger.
Boots zupfte Howard am Ärmel. »Ich hab Hunger.«
Schnell legte er ihr einen Finger auf die Lippen. »Schscht. Sie dürfen uns nicht entdecken, Boots. Wie beim Versteckspiel, verstehst du?«
Boots grinste und hüpfte aufgeregt. »Schscht!«, machte sie.
»Schscht!«, wiederholte Howard.
Aber da war jemand, der sich nicht so leicht ruhigstellen ließ. Cartesian hatte sich in seinem narkotisierten Schlaf unruhig bewegt. Doch die Worte der weißen Ratte mussten in seine Träume gedrungen sein. »Nein!«, schrie er. »Nein!«
»Wecke ihn, Howard! Sonst hören sie ihn!«, rief Luxa.
Howard rüttelte Cartesian, und der fuhr entsetzt hoch. »Wo sind die anderen?!«, schrie er und warf den Kopf hin und her. »Wo sind die anderen?!«
»Cartesian, ganz ruhig. Sie sind in Sicherheit. Du bist in Sicherheit«, flüsterte Howard eindringlich.
Doch seine Worte kamen nicht bei Cartesian an. »Wo sind die anderen?!«, rief er wieder.
Gregor schaute nur einmal ganz kurz über die Höhlenwand. In diesem kurzen Moment sah er, dass das Heer der Ratten auf sie losstürmte. »Sie haben uns gehört! Steigt auf! Wir müssen hier raus!«
Im Nu waren sie alle wieder auf den Fledermäusen. Gregor schnappte sich Boots, weil Howard Cartesian auf Nikes Rücken festhalten musste, der völlig außer sich war und immer wieder rief: »Wo sind die anderen?! Wo sind die anderen?!«
Die Fledermäuse sausten empor, doch sie hatten keine Ahnung, wohin es gehen sollte. Kaum waren sie alle in der Luft, wurden sie auch schon erkannt. »Der Krieger! Königin Luxa!«, riefen die Ratten. Einige lachten; sie konnten ihr Glück kaum fassen, solch fette Beute so leicht gefangen zu haben.
»Wohin?«, rief Ares. Er kreiste in der Luft, Thalia und Temp klammerten sich an seinem Rücken fest.
Gregor glaubte, in den Wänden Tunnelöffnungen auszumachen, doch er konnte es nicht genau erkennen, weil die Ratten die Asche vom Boden aufwirbelten. »Wir brauchen mehr Licht!«, sagte er und erwartete, dass die Glühwürmer voll aufdrehen würden. Aber
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