Gregor und der Schlüssel zur Macht
hier! Flieg jetzt hier raus!«, sagte Gregor.
Ares tauchte in einen Tunnel ein, den sie noch nicht kannten. Nach etwa dreißig Sekunden hörten sie, dass die Ratten den Kegel erreicht hatten. Und sie waren tatsächlich verwirrt. Jede Ratte hatte eine andere Meinung dazu, welchen Tunnel es zu verfolgen gelte. Schon bald war ein großer Streit im Gange, und dann hörte Gregor Kampfgeräusche.
Die Geräusche wurden immer leiser, je weiter sie wegflogen, bis nichts mehr zu hören war.
Sie flogen im Zickzack in einen Tunnel hinein, und kurz darauf war unter ihnen ein weiter, seichter Bach.
»Ich muss ein wenig verschnaufen … ich muss etwas trinken …« Keuchend landete Ares am Ufer des Bachs. Er tauchte das Gesicht ins Wasser und trank in gierigen Schlucken.
Gregor stieg ab und schöpfte mit den Händen Wasser für sich und den Fluch. Zwar war der Bach nicht tief, doch die Strömung war ziemlich stark und Gregor wollte nicht das Risiko eingehen, dass das Rattenbaby fortgespült wurde.
Ares hob das nasse Gesicht. »Mir kam gerade eine Idee«, sagte er. »Dieser Bach. Was glaubst du, wohin er führt?«
»Ich weiß nicht. Zu einem größeren Bach. Vielleicht mündet er in einen Fluss oder …« Jetzt begriff Gregor, worauf Ares hinauswollte. In seiner allerersten Nacht in Regalia hatte er beim Versuch zu fliehen das Wasser vom Palastaus verfolgt. Es hatte ihn zu einem Fluss geführt, der in den Wasserweg mündete. »Es ist auf jeden Fall einen Versuch wert.«
Gregor stieg mit dem Fluch auf Ares’ Rücken und sie hoben wieder ab.
Zunächst sah es nicht sehr vielversprechend aus. Über den Bach ließ sich vor allem sagen, dass er lang war und genauso viele Biegungen und Windungen hatte wie die Tunnel im Irrgarten. Gregor spürte, wie Ares’ Flügel erlahmten; sehr bald würde er eine richtige Pause einlegen müssen. Doch im Irrgarten anzuhalten bedeutete den sicheren Tod. Die Ratten würden sie garantiert einholen. Gregor hatte kein Schwert. Das Baby würde wieder anfangen zu weinen und dann würden sie …
»Ein Fluss«, sagte Ares außer Atem. »Ganz in der Nähe ist ein Fluss.«
Kurz darauf führte der Bach sie aus dem Tunnel hinaus in eine riesige Höhle. Mitten hindurch floss ein Fluss. Sie waren aus dem Irrgarten heraus!
Ares flog hoch überm Wasser. Der Fluss wurde von Felsklippen gesäumt.
»Gibt’s hier irgendwo Ratten?«, fragte Gregor.
»Nur die eine auf meinem Rücken«, sagte Ares.
»Willst du am Ufer landen und eine Pause machen?«, fragte Gregor.
»Bald. Wenn die Nager in weiterer Ferne sind. Sie werden kommen, Überländer. Wir haben den Fluch«, sagte Ares.
»Ja, ich kann mir vorstellen, dass die sauer sind«, sagte Gregor. Er streichelte dem Fluch über den Kopf. Die kleine Ratte hatte sich allmählich an ihn gewöhnt. Sie kuschelte sich an ihn und gähnte herzhaft. »Das war ein ziemlich aufregender Tag für dich, was, Kleines?« Es dauerte nicht lange, da war sie eingeschlafen.
Eine Weile flogen sie schweigend weiter. Dann sagte Ares mit seltsamer Stimme: »Überländer, ich glaube, ich kenne diesen Ort. Ich glaube, wir kennen ihn beide.«
»Was?«, sagte Gregor. Wie sollte er hier irgendetwas kennen?
»Leuchte mit deinem Lichtstab nach unten«, sagte Ares.
Gregor gehorchte. Unter ihnen war der Fluss, der jetzt sehr breit und stark war. Auf beiden Seiten hingen von den hohen Ufern die Überreste einer zerstörten Brücke herunter.
»Oh«, sagte Gregor. Und die Erinnerung an jenen Tag blitzte vor seinen Augen auf. Wie er über die Brücke gerannt war und versucht hatte, Boots zu holen, wie Ripred ihn an seinem Rucksack hochgehoben hatte, als die Brücke unter ihm Schwindel erregend schwankte, wie er von Ripreds Schwanz zu Boden geschlagen wurde, wie Ripred, Luxa, Henry und Gox auf die Seile einhieben, von denen die Brücke getragen wurde, wie die Rattenbande die Kakerlaken und seine kleine Schwester einholten und … und …
Hier war Tick ums Leben gekommen.
»Du hast Recht«, sagte Gregor. »Wie sind wir denn bloß hier gelandet?«
»Der Humpen, der Irrgarten und die Überreste dieser Brücke liegen alle im Revier der Ratten«, sagte Ares. »Wenigstens haben wir jetzt eine gewisse Vorstellung, wo wir uns befinden.«
Ares flog am Ufer entlang und landete gegenüber der Stelle, an der die Brücke zum Einsturz gebracht worden war. »Auf dieser Seite sind wir sicherer. Für die Ratten dürfte es sehr schwierig sein, durch den Fluss zu schwimmen, der, wie wir wissen, voller
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