Greifenmagier 1 - Herr der Winde
inzwischen zu deinen Füßen, wandte Tastairiane Apailika ein, und seine Stimme schnitt wie ein Wurfmesser durch Kes' Bewusstsein.
Ich bin überzeugt, dass du dich irrst, widersprach Kairaithin. Und wer sieht die Herzen der Menschen deutlicher - du oder ich?
Der weiße Greif hatte darauf keine Antwort.
Und falls du dich irrst, führte Kairaithin aus, und weder irgendeine Drohung noch irgendeine Strafe sie bewegt, und wir ihrer Gabe und ihrer Fertigkeit verlustig gehen - was sollen wir dann tun, wenn letztlich ein mächtigeres Casmantium seine Kraft etabliert und uns angreift? Und das wird geschehen. Täusche dich nicht, was die Absichten des Arobarn angeht: Er wird keine Wüste inmitten seiner neuen Länder dulden. Und Farabiand wird sich, wenngleich geschwächt und zornig, letztlich mit Casmantium gegen uns zusammenschließen, denn alle Menschenvölker sind natürliche Bundesgenossen, wenn das Feuer gegen die Erde vorgeht. Du glaubst, dass wir, unterstützt durch die Fertigkeit und Gabe meiner Kiinukaile, alles zerstören können, was die Menschen gegen uns ins Feld führen; aber die Kraft der Erde verfügt über mehr Reserven, als du ahnst. Und wer sollte das besser wissen als ich?
Es entstand eine Unterbrechung, die geradezu tödlich lang wurde. Tastairiane Apailika traf schließlich Anstalten zu antworten.
Kes schöpfte Mut aus Kairaithins Kraft, aus Opailikiitas warmherzigem Zuspruch, aus dem erheiterten Beifall des fröhlichen Eskainiane. Doch Eskainiane Escaile Sehaikiu irrte sich: Kes war nicht tapfer. Sie verstand sich nicht darauf, kraftvolle Ansprachen zu halten. Sie fürchtete sich zu sehr vor dem weißen Greifen, um ihn auch nur anzusehen. Rasch sagte sie jedoch zum Herrn von Luft und Feuer, ehe der weiße Greif Gelegenheit zu reden fand: »Vielleicht ducke ich mich ja zu deinen Füßen. Vielleicht mache ich das. Aber ich werde nicht ... Ich werde keine Verletzung heilen, die irgendein Greif erleidet. Nicht, wenn ihr Menschen aus Farabiand etwas antut. Ich mache es nicht. Niemand aus Farabiand hat euch etwas getan. Warum sollte es dann eure Sache sein, ihnen wehzutun?«
Eskainiane Escaile Sehaikiu lachte, lebendig und zuversichtlich, strahlend und erfreut von Mut, wo immer er diesen antraf - sogar in Kes. Selbst wenn sie seinem eigenen Plan widersprach.
Und der König war stets geneigt, sich eher von der Meinung seines Iskarianere umstimmen zu lassen als von irgendjemand sonst. Und zu guter Letzt gestattet er sich selbst, ebenfalls erheitert zu sein. Er verkündete: Wir werden diesen neuen Wind erwägen, den du vorschlägst, Sipiike Kairaithin. Du darfst ihn uns verdeutlichen, und wir ziehen ihn in Erwägung.
Kairaithin senkte schließlich das stolze Haupt, und kleine Flammen kräuselten sich im zarten schwarzen Gefieder seiner Kehle. Er erwiderte: Er wird dir gut gefallen, o Herr von Feuer und Luft - das glaube ich jedenfalls. Und wenn er auch meiner kleinen Kiinukaile gefällt, sollen wir dann nicht großmütig sein und ihr die Freude machen?
Vielleicht tun wir das, antwortete der König, und Kes wusste, dass sie am Ende gewonnen hatten - dass sie einen Umschwung des Windes, das Überleben ihres Volkes und eine Chance auf die Sicherheit aller in Farabiand erreicht hatten. Leise ging sie zur Seite und gesellte sich zu Opailikiita. Sie lehnte sich an die junge Greifin, holte tief Luft und versuchte zu glauben, dass sie gesiegt hatten und alles gut würde.
Iaor Safiad von Farabiand wollte sich Casmantium inmitten der Wüste zum Kampf stellen, wie es alle, vermutete Kes, zum einen oder anderen Zeitpunkt geplant hatten, wenn auch mit stark voneinander abweichenden Absichten. Jetzt geschah es jedoch unter Bedingungen, die Farabiand begünstigen sollten. Das zumindest hoffte Kes. Kairaithin erklärte, es sei so. Opailikiita sagte es ebenfalls, und dieser Zusicherung traute Kes mehr als der des Greifenmagiers.
Als das Heer von Farabiand tapfer in die Wüste marschierte, brachen die Greifen auf, um ihm entgegenzufliegen. Dabei verhielten sie sich ganz so, als würden sie in eine Schlacht ziehen, ohne jedoch in ihren wilden nicht menschlichen Herzen diese Absicht zu hegen - wie es Opailikiita Kes zumindest versicherte.
Kes schmiegte sich zwischen Opailikiitas Schwingen, als sich die junge Greifin in die Lüfte schwang, umklammerte zwei Handvoll Federn und hielt sich daran fest. Sie versuchte, nicht daran zu denken, wie tief der Sand unter ihr lag. In langsamen Spiralen flog Opailikiita durch die
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