Gretchen
Leben. Hatte sie keine Lust mehr auf ihr Leben? Doch, hatte sie. Es musste etwas anderes sein, etwas, das ihr den Zauber stahl, das sie betäubte. Sie wusste nur nicht, was, sie wusste nur, dass es sich komisch anfühlte, als säße sie alleine in einem leeren Raum auf einem hölzernen Stuhl und als müsste sie nur aufstehen und weggehen, aber immer nur fragte sie: Warum? Und manchmal zerbrach sie sich den Kopf darüber, und dann klebte sie ihn mit Alkohol wieder zusammen, und dann war es wieder gut, für eine Weile.
»Es ist mir ein Rätsel«, unterbrach der Fischer die trüben Gedanken.
»Ein Rätsel?«, fragte Gretchen Morgenthau nach.
»Ja. Mir ist es unbegreiflich, warum Sie mit vier Überseekoffern reisen. Für vier Wochen. Was haben Sie da nur alles mitgenommen?«
»Sie möchten wissen, was ich alles eingepackt habe?«
»Hm«, murmelte der Fischer ein wenig unentschlossen, als wäre er auf der Hut, als fürchtete er, in eine Falle tapsen zu können.
Gretchen Morgenthau interpretierte das Hm als überbordendes Interesse. Sie schien entzückt und begrüßte ihre gute alte Freundin, die Euphorie, mit Wonne und Wohlgefallen. »Nun, dann soll es mir eine Freude sein, die notdürftige Garderobe anzuführen, mit der zu reisen ich genötigt wurde. Vielleicht können Sie ja die Tragik nachempfinden, die eine Frau ereilt, wenn sie zu wählen hat, wenn sie lieb gewonnene Kleinode zurücklassen muss, die ihr so sehr ans Herz gewachsen sind, dass es sie schier in Stücke reißt. Ich muss Sie allerdings warnen, ich bin keinem Label wirklich treu, nur dem Stil. Und ich hoffe, Sie sehen es mir nach, wenn ich nicht alles aufzuzählen in der Lage bin, mein Gedächtnis ist im Laufe der Jahre leider durch dies und das ein wenig perforiert, aber ich werde mein Bestes geben. Da wären also ein rotes Samtkleid von Fendi, fliederfarbene High-Heels von Nicholas Kirkwood, ein braunes Wollkleid mit Wasserfall-Ausschnitt von Vandeforst, eine karierte Stoffhose von Anna Molinari, ein rotes Jerseykleid von Lanvin, eine schwarze, ein wenig durchsichtige und durchaus gewagte Seidenhose von Ann Demeulemeester, ein Hosenrock von Yohji Yamamoto, Velourslederboots mit Fransen von Isabel Marant, eine écrufarbene Seidenbluse von Boss Black, zwei schlichte schwarze Hosen von einem meiner Lieblingsdesigner Helmut Lang, drei helle Blusen von Dior, ein Vintage-Mantel in einem wunderschönen Schnitt von Yves Saint Laurent, ein karierter Hosenrock von Comme des Garçons, eine Wendetasche von Longchamp, rotes Lammfell auf der einen Seite, Leder in Krokooptik auf der anderen, ein futuristisches, cremefarbenes Kleid von Iris van Herpen, ein Gouvernanten-Kleid von Thom Browne, ein schwarzer Wollrock von Stine Goya, ein Trenchcoat aus Buckingham-Kaschmir von Burberry, Handschuhe aus Peccaryleder von Roeckl, eine klassische, weiße Smokingbluse von Herr von Eden, dazu ein bodenlanger, schwarzer, geschlitzter Rock von Haider Ackermann, ein farbenfroher Strickwintermantel von Escada, eine champagnerfarbene Handtasche von Jimmy Choo, eine schlichte nachtblaue von Céline, die Pistol Boots von Acne, schwarze Sandalen von Tabitha Simmons, dunkelbraune Booties von Vionnet, drei Gürtel von Paul Smith, von grau bis schwarz, ich kaufe Gürtel nur von Paul Smith, ein Tick, Sie glauben nicht, was ich mir deswegen schon alles habe anhören müssen, zwei Bleistift- und zwei Wickelröcke von Marni, zwei Schluppenblusen von Escada und ein Trenchcoat aus Mohair von Watanabe, ein schwarzer Hosenanzug von Benjamin Cho, eine zartrosa Clutch Bag und schwarze Lederballerinas von Prada, ein schwarzes Seidenkleid von dem sehr interessanten Designerpaar Augustin Teboul, schokoladenbraune Wedges von Bennett, himmelblaue von Christian Louboutin, ein Wollstrick-Kleid von Azzedine Alaїa, ein Wollfilzhut von Emilio Pucci, ein Lederkleid mit Strickärmeln und die graue Birkin Bag von Hermès, diverse Strümpfe und Strumpfhosen von Christian Dior und Wolford, eine hochtaillierte, schwarze Hose von Antonio Marras, ein bodenlanger Fake-Fur-Mantel und ein Paar Two-Tone-Schuhe von Chanel, ein doppelreihiger Blazer aus Wollcrêpe von Gaultier, ein cremefarbener Leinenblazer und die Falabella Bag von Stella McCartney, ein knielanger und ein wadenlanger Rock von Dries van Noten, Strandsandalen von Emma Hope und ein schwarzer Regenschirm von Alexander McQueen. Gott, mir fallen bestimmt noch ganz viele Sachen ein, die ich jetzt vergessen habe aufzuzählen. Wussten Sie eigentlich, dass der
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