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Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition)

Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition)

Titel: Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Berger
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nun nur noch zwei, drei einsame Kreuzer in der Tasche.
    Während der langen Fahrt mainabwärts, unter Deck auf der Bank, da war ihr erst der Gedanke gekommen, dass sie nicht ausgerechnet nach Mainz hätte fliehen dürfen. Es lag ja allzu nahe, denn dort kannte sie sich aus. Klar sah sie es mit einem Mal vor sich, wie die Schwestern, wenn sie sie bei der Ursel nicht antrafen, den Soldaten sagen würden: Bestimmt ist sie nach Mainz. Die Soldaten würden dann den Posten am Bockenheimer Tor befragen, und der würde sich zweifellos an sie erinnern und daran, dass sie in die Mainzer Chaussee eingebogen war. Das langsame Marktschiff würde man schnell einholen. Oder vielleicht würde man per Boot einfach den Soldaten in Mainz Nachricht geben, sodass dort am Hafen ein Trupp auf sie wartete, wenn sie ankäme.
    In großer Angst hatte die Susann daher in Mainz das Schiff verlassen, hatte sich klein gemacht hinter anderen und war vom Hafen fortgehetzt. Um jede Uniform hatte sie einen weiten Bogen geschlagen. Als sie nach längerem ziellosem Umherlaufen endlich sicher war, im Augenblick zumindest nicht verfolgt zu werden, war sie zu einem Goldschmied beim Krautmarkt gegangen. Sie brauchte Geld. Dringend. Glücklicherweise trug sie wie immer ihre dünnen Tauf-Ohrringe aus vergoldetem Silber. Für die bekam sie allerdings bei dem Goldschmied – der ihre Not natürlich sofort durchschaute – mit vierundzwanzig Kreuzern einen schmerzhaft niedrigen Preis. Ach, hätte sie doch bloß die Perlen da! Hätte sie die bloß mitgenommen bei ihrem Weggang aus dem Einhorn . Da liegen sie jetzt nutzlos in der Truhe und können ihr nicht helfen.
    Sie aber steht in Mainz am Krautmarkt mit ihrem wenigen Geld. Der Abend wird immer später. Und sie braucht noch heut oder morgen eine Arbeit, so viel ist klar. Den Goldschmied, den hat sie natürlich nicht zu fragen gewagt, ob er eine Magd brauche. Da hätte sie ja gleich erzählen können, sie sei eine flüchtige Kriminelle.
    Aber auf die nächste über den Krautmarkt laufende Person, die ihrerseits nach Dienstmagd aussieht und nett, auf die geht sie zu: Sie sei stellungslos und neu in Mainz, ob sie vielleicht einen Dienst für sie wisse? Die Magd, braunäugig, schon Ende zwanzig, stellt ihren Korb ab und sagt, nein, leider nicht. Aber sie könne sich mal umhören. Ob sie in der Nähe logiere?
    Sie habe noch kein Logis und suche übrigens ein sehr preiswertes.
    Da immerhin wisse sie was, freut sich die Magd. Sie solle es doch beim Wirtshaus Zum Hirschchen versuchen, da habe auch sie bei ihrer ersten Ankunft in der Stadt und später zwischen Diensten immer mal genächtigt. Für gerade mal drei Batzen bekomme man da Obdach, Brot und Suppe.
    Worauf die Susann, die sich kaum noch aufrecht halten kann vor Schwäche und die den ganzen Tag noch nichts gegessen hat, ihre schweren Schritte zu dem ihr von früher bekannten Wirtshaus Zum Hirschchen lenkt. Wenn sie ganz viel Glück hat, dann kriegt sie dort nicht nur ein Bett und Suppe. Dann suchen die dort vielleicht auch eine Magd.
     
    Zur gleichen Zeit war in Frankfurt die Königin schon von der Frau von Stockum heimgekehrt, mit dem beinahe fertigen und einem angefangenen Hemd sowie Spitzen, die an alle Säume sollten. Ihr Gatte war auch anwesend und hatte, während sie arbeitete und die Käthe ein mageres Abendbrot bereitete, den Sohn auf dem Schoß.
    «Ich hab’s ihm tausendmal verboten», schimpfte die Königin, «aber nein, er muss es immer wieder tun.» Denn der Junge hatte sich beim Klettern tatsächlich einen Splitter zugezogen, den sein Vater eben, bislang nicht sehr erfolgreich, herauszupulen bemüht war. «Du kleiner Racker», murmelte der Tambour König, als ein lautes Klopfen an der Wohnungstür ertönte.
    «Ei, wer mag denn das −», wundert sich die Königin, und da war, weil die Tür nicht verriegelt war, die Besucherin auch schon eingetreten. Nämlich die Schwester Dorette.
    «Ich wollt nochmal nach der Susann schauen.»
    «Ja, die ist doch gar nicht mehr hier. Ich nehm an, die ist schon wieder zu der Bauerin.» (Dies natürlich im Brüllton, damit die Hechtelin verstand.)
    «Was soll das heißen, du nimmst an? Was hat sie denn gesagt, wo sie hingeht?»
    «Nichts hat sie gesagt. Wie ich heut Mittag nach Haus kam, war sie schon weg.»
    «Du liebe Zeit! Das sagst du mir erst jetzt!»
    «Ja was! Denkst du, ich hab den ganzen Tag nichts anderes zu tun, als der Susann hinterherzulaufen? Ich hab schließlich meine Pflichten. Die Frau von Stockum

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