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Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition)

Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition)

Titel: Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Berger
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Hospitalgefängnis gehörte, wie zum Katharinenturm, auch ein Gefängnisaufseher. Es war der Richter Knopf. Der wohnte zwar nicht hier, fand sich aber zur Inspektion der neuen Gefangenen und ihrer ordnungsgemäßen Verbringung nun bald ein. Er fragte das blasse Gesicht auf dem Kissen, ob sie eigentlich außer den Kleidern auf dem Leib noch Gepäck mitgebracht habe. Das verneinte die Susann.
    Einer Bestimmung folgend, wonach Hinrichtungskandidaten unbedingt am Leben erhalten werden müssten, ordnete der Richter Knopf an, dass der Gefangenen warmes Essen zu reichen sei und nicht bloß Wasser und Brot.
    Dann ging er.
     
    Gott sei Dank. Jetzt hat sie endlich ein bisschen Ruh. Einfach nur liegen und die Augen zumachen.
    Nur im Kopf, da will sich wieder keine Ruhe einstellen, obwohl sie so schwach ist. Einen klaren Gedanken kriegt sie nicht zu fassen, es rauscht einfach nur in ihr. Und über allem liegt der Schrecken.
    Als sie sich auf die Seite dreht nach einer Weile, berührt sie etwas Hartes. Es ist die Schere, die sie noch schnell gegriffen hatte in der Küche vom Einhorn , als sie sich rausgeschlichen hat zum Gebären am Donnerstagabend. Herr Jesus! Wenn man die nun bei ihr findet und denkt, sie hätte ihr Kind mit der Schere verletzt! Schlimm genug, was sie getan hat, aber doch nicht das.
    Sie holt den Nähbeutel hervor, sieht, dass der zu allem Übel blutbefleckt ist, und drin steckt, außer der Schere, eine Schlinge Serge-Stopfgarn von Flörsheimer.
    «Liebchen, was ist Euch?»
    Es ist die Krankenwärterin Schmidtin, die fragt.
    «Nichts. Ich hab mich nur auf meinen Nähbeutel gelegt, da ist eine Schere drin.»
    «Die müsst ich Euch eigentlich abnehmen. Eine Schere darf ein Gefangener ja gar nicht besitzen.»
    «Ach, Frau Schmidtin, kann ich Ihr vielleicht die Schere schenken? Ich will sie sowieso los sein. Ich hab so Angst, es könnte heißen, ich hätt meinem Kind mit der Schere ein Leid angetan.»
    Die Schmidtin befindet, eine Schere könne man immer gebrauchen, und greift zu.

SONNTAG, 4. AUGUST, SPÄTER NACHMITTAG
    ERSTENS WAR Sonntag. Zweitens war nach dem Bekunden mehrerer Amtspersonen die Beschuldigte gesundheitlich nicht in der Lage, auf dem Peinlichen Verhöramt zwecks Befragung zu erscheinen.
    Insofern hatte sich der Lizenziat der Rechte Claudy einen geruhsamen Tag erhofft.
    Siegner war allerdings beim Nachmittagsschoppen mit Kollegen im Wirtshaus Zum Kreuzchen zu der Meinung gekommen, man brauche ein frühes Geständnis der Hauptangeklagten. Dass man mit entsprechendem Pepp die ganze Inquisition voranbringen könne. Schließlich stand die Messe bevor!
    Natürlich konnten sich der wohledelgeborene, wohlfürsichtig regierende Jüngere Herr Bürgermeister oder der ebenso wohledelgeborene, wohlweise Ratsherr und Examinator Dr.   Lindheimer aufgrund der Ehre ihres Amtes nicht selbst an solche schmutzigen Orte wie das Hospitalgefängnis begeben. Weshalb es niemand anderem als dem Ratsschreiber Claudy oblag, die Angeklagte dortselbst aufzusuchen. Und zwar jetzt gleich, Sonntag hin, Sonntag her (Wortlaut Siegner).
    Immerhin war das weniger schlimm für Magen und Nerven als die gestrige Sektion, sagte Claudy sich sowie seinem Assistenten Rost. Der musste nämlich mit. Damit das erhoffte Geständnis gleich von zweien amtlich bezeugt werden könne.
    Die Beschuldigte sah bemitleidenswert aus in ihrem Bett, was der Ratsschreiber, wollte er ehrlich sein, nicht viel anders erwartet hatte. Ein armes, unglückliches Mädchen, krank noch dazu, und fürchtete sich offenbar vor ihm, als er zu ihr trat.
    Grundlos allerdings.
    Leider musste man nun aber mal anfangen mit dem Verhör. Der Claudy setzt sich also auf den einen Stuhl, der sich im Spital hatte auftreiben lassen für den Anlass, und schiebt ihn vertraulich ans Bett der Kranken, als wollte er ihr die Hand halten. Der Assistent Rost bleibt notgedrungen stehen, einen Fuß salopp auf die Bettkante gestellt, als Schreibunterlage dienen ihm eine mitgebrachte Mappe und sein Oberschenkel.
    Der Claudy räuspert sich.
    Wie sie heiße? Und wie alt sie sei, und welcher Religion?
    Erst einmal die Personalien klären, korrekterweise. Das tut er ausführlich und erfährt dabei auch, dass beide Eltern von dem armen Ding schon tot sind. Es ist also quasi ganz allein auf der Welt. Die Schwestern nicht gerechnet. Solche Schwestern allerdings!
    Dem Claudy geht auf, dass er beim besten Willen nicht weiß, wie er das Mädchen anreden soll. Fräulein Brandin? Unangemessen bei einer

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