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Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition)

Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition)

Titel: Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Berger
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Logiergäste vermieteten, und da wolle sie den jungen Mann gleich einmal mitnehmen in die Nachbarschaft, das wäre doch gelacht, wenn sie ihn nicht vermitteln könnte.
    Sie konnte. Bei den de Barys ein paar Häuser weiter. Mit einigen Unkosten, versteht sich, für ihre Haushaltskasse, da sie dem Jungen unterm Siegel der Verschwiegenheit die Unterkunft bezahlte.

SAMSTAG, 28. SEPTEMBER 1771
    WÄHREND DER Messe passierte rein gar nichts in Sachen Susanna Margaretha Brandin. Vielmehr beließ man die Angeklagte ohne Nachricht, Besuch und andere Beschäftigung als ihr Gewissen im Spitalgefängnis, wo sie übrigens nach zwischenzeitlicher Genesung später erneut ein unerfreuliches Fieber entwickelte, dessen Ausgang es abzuwarten galt. Man konnte also noch immer nicht weiterermitteln. Denn es wäre ja Unsinn und kostbare vertane Zeit gewesen, mühsam noch zig Zeugen zu vernehmen, wenn einem die Angeklagte sowieso bald wegstarb!
    Am 27. September, die Messe war schon länger vorbei, brachte im Gasthaus Zum Kreuzchen eine zufällige bierselige Nachfrage nach der Kindermörderin dem Jüngeren Herrn Bürgermeister dieselbe frisch in Erinnerung. Am nächsten Morgen gleich schickte er den Gefängnisaufseher Richter Knopf ins Hospital, wo der sich nach dem Gesundheitszustand der Person erkundigen sollte. War sie endlich wieder verhandlungsfähig?
    Dem Richter Knopf schien die Angeklagte merkwürdig verklärt, als er sie von außen durchs Gitter begutachtete. So blass war sie, als wolle sie jede Minute unter die Engel gehen, falls man das sagen konnte von einer doch wohl eher für die Hölle als für den Himmel bestimmten Person, und behauptete nichtsdestotrotz mit sanfter Stimme, es gehe ihr «ganz gut».
    Im Gegensatz dazu befand die Krankenwärterin Schmidtin, die Patientin sei keinesfalls wiederhergestellt. Dabei wurde sie aber von dem ebenfalls anwesenden Spitalmeister harsch unterbrochen: Ei, die Mörderin sei doch allemal die gesündeste Person im Haus, und er könne das Bett wie auch die Krankenwärterin verdammt gut anderswo gebrauchen, und er möchte also das Peinliche Verhöramt sehr bitten, dass es ihm die unselige Mörderin wieder abnimmt und anderswo unterbringt als wie grad in seinem Hospital!
    Am Mittag des 28. September fand sich die Susann daher im Katharinenturm wieder, in eben jenem verriegelten, steingepflasterten, grob verputzten Raum, in den man sie nach ihrer Verhaftung zunächst verbracht hatte. In einem Bett allerdings diesmal, das eigens für sie die engen Treppen hoch in das Weibergefängnis geschleppt worden war. Auch das warme Essen ließ man ihr, um ihre Genesung nicht zu gefährden.
    Ihre Mitgefangene, die ehemalige Senckenbergische Magd Katharina Schmalbachin, regten diese unverdienten Privilegien der Mörderin zunächst sehr auf. (Die Schmalbachin hatte sich bloß an ein paar Habseligkeiten ihres inhaftierten Herrn bereichert, jedenfalls wurde das behauptet, und sie hatte seit Monaten nicht das Glück gehabt, in einem Bett zu schlafen.) Als aber der Susann das erste Essen gebracht wurde, erkannte die ausgehungerte Schmalbachin, dass dies ihre Gelegenheit war, selbst endlich wieder einmal was anderes zu beißen zu bekommen als trocken Brot. Was auch gelang, da die Kranke sowieso nicht den ganzen Teller schaffte.
    Dummerweise traf die Frau des Richters Weines, als sie das Geschirr abholte, die Schmalbachin an, wie sie eben noch den Löffel ableckte. Sie steckte ihrem Mann, die Schmalbachin habe die Suppe der Brandin verspeist. «Ei, da muss was passieren», entschied der Richter Weines, «das gibt nur Ärger, die beiden zusammen. Nicht dass die das Mädel noch aus ihrem Bett vertreibt.»
    Die Schmalbachin wurde also in den Gefängnisraum ein Stockwerk drunter verlegt.
    Ab jetzt war die Susann ganz allein.

AM GLEICHEN TAG
    KEINE ZWEIHUNDERT Schritt vom Katharinenturm, im Haus Zu den drei Leiern im Hirschgraben, war heute der Herr Dr.   Metz für einen Hausbesuch bestellt.
    Es war ein glückliches Haus in dieser Zeit, ohne dass es seinen Bewohnern so recht bewusst war. Die Luft schwirrte von Plänen und Hoffnungen und allgemeiner Behaglichkeit. Fast zu behaglich fand es Wolfgang, dem nach dem universitären Straßburg und den unterwegs besichtigten, neu angelegten Residenzstädten wie Saarbrücken und Mannheim seine lang vermisste Heimatstadt nun mehr denn je borniert und provinziell vorkam, mit den krummen, schmalen Gassen, muffigen, dunklen Rokokostübchen und ihren ewig sich im gleichen,

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