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Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition)

Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition)

Titel: Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Berger
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Cornelies Schrecken zwischen den hohen Frisuren kein einziger schwarzer Hut. Auch auf den zweiten Blick nicht. Was! Gar keine Herren mit dabei? O weh, da war ihre ganze Aufregung umsonst. Da hätte sie auch zu Hause bleiben können.
    «Miss Cornelie! Vous êtes venue quand même! »
    Leonore de Saussure ist das, die ihr so zuruft, neckisch im Ton, die Hand auf der windgefährdeten Frisur. Sie war es auch gewesen, die Cornelie eingeladen hatte, als man sich zufällig bei einer familiären Sonntagspromenade begegnet war. Außer Leonore sieht man noch Philippine de Sarasin im Festtagsstaat herumstehen und daneben Marie de Bassompierre, die nach Cornelies Ansicht damals den Tod von Saint-Albin viel zu schnell verschmerzt hat. Längst ist sie neu verlobt. Und ist das nicht −
    «Cornelie, altes Haus!»
    Damit dreht sich die bunt geputzte weitere Person um – o nein, tatsächlich: das Runckelchen. Die ist eigentlich Cornelies beste, liebste Freundin, oder vielmehr, sie war es, denn man hat sich in den letzten Jahren ein paar Mal gestritten und irgendwie auseinandergelebt.
    Runckelchen ist nämlich die Frankfurter Schönheit (auch Bruder Wolfgang hat sie immer auf peinlichste Weise umschwärmt), was die Freundschaft mit der etwas Jüngeren für Cornelie irgendwie − unangenehm macht. Ganz früher war das nicht so störend, da hatte die Familie Runckel nämlich nach dem Almosenkasten schielen müssen und das süße Töchterchen auf gesetzte ältere Witwer mit Vermögen. Aber dann gab es ein unerwartetes Erbe von einem Neffen der Mutter, worauf postwendend das Runckelchen seinen damaligen Beinahe-Verlobten, den knapp fünfzigjährigen Kaufmann Busch, schwer enttäuschen musste, indem es in heller Liebe zu einem durchreisenden schönen jungen Herrn namens Dorval entbrannte, der seinerseits gleich auf den ersten Blick völlig hingerissen um des Runckelchens Hand bat und ein interessantes Leben mit vielen Reisen quer durch Europa versprach. Allerdings musste der schöne Dorval erst einmal fort, um seinem Kompagnon in Kopenhagen klarzumachen, dass er statt der wartenden und fürs Geschäft dringend nötigen Zweimillionenerbin in Amsterdam doch lieber das Stallmeisterswitwentöchterchen aus Frankfurt heiraten wollte. Und dies diffizile Unternehmen war wohl gescheitert. Jedenfalls blieben nach gut einem Jahr Dorvals heiße Briefe aus und der Herr in persona ebenso. Aber das Runckelchen, zugegebenermaßen getroffen, das hatte ja Auswahl. Das tröstete sich längst mit der nächsten männlichen Schönheit. Wenn es sich nicht, wie neuerdings öfter, wieder vom alten Kaufmann Busch begleiten und aushalten ließ, der sich väterlich gab und ihr die Treulosigkeit so gar nicht übel genommen hatte.
    Als man sich jetzt nach längerer Zeit wieder sieht, merkt Cornelie, dass sie dem Runckelchen trotz des letzten Zerwürfnisses noch immer irgendwie zugetan ist. Dem Runckelchen selbst scheint es genauso zu gehen, jedenfalls hakt es die alte Freundin unter, soweit möglich bei den breiten Röcken, und tut so, als hätte man sich nicht vor Monaten im Streit getrennt.
    Unterdessen kommt noch ein Wagen angefahren, und Caroline von Stockum klettert taftraschelnd und volantwehend raus, gleich dahinter ihre wie immer beneidenswert aussehende Schwester Lisette. Diese trägt, anders als das Runckelchen, ihre Schönheit in Würde und Stille. Eher ist sogar die Lisette von Stockum ein bisschen zu brav angezogen und zu zurückhaltend und proper im Umgang mit Verehrern. Aber wenn sich Cornelie manchmal vorstellt, schön zu sein, dann so unaufdringlich wie sie.
    Nun ist die Gesellschaft vollzählig, und man marschiert los, das Runckelchen fest an Cornelies Seite, und beide nach kurzer Zeit am Kichern. Wie früher. Wie immer. Doch gut, dass Cornelie sich aufgerafft hat für die Promenade. So sehr eine Außenseiterin, wie sie manchmal denkt, ist sie ja gar nicht; sie darf sich nur nicht immer zu Hause vergraben.− Obwohl natürlich das Runckelchen nicht als die allerbeste Gesellschaft gilt. Und wenn man sie beide jetzt so intim zusammen sieht, fünf Schritt hinter den anderen, ob da nicht bei gewissen möglichen Ehekandidaten ihr Ruf beschädigt … Aber der gewisse, an den sie da denkt (eben gerade hat sie dem Runckelchen, im Prinzip wahrheitsgemäß, erzählt, dass sie ihn im Leben niemals gut finden könnte), dieser gewisse Herr ist ja weit und breit nicht zu sehen auf den Promenaden. Außerdem hakt sich jetzt auf der anderen Seite vom Runckelchen

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