Greystone Saga: Mit Schwert und Feder: 1 (German Edition)
bist du ja schon.“
Die Rückkehr Laurentins entband Ian von einer Antwort. „Hey, Ian“, rief Laurentin durch die Halle, „guck, was ich hier habe.“ Er schwenkte einen Korb, der über und über mit Kuchen und Schmalzgebäck bestückt war. „Es ist unglaublich. Normalerweise rücken die in der Küche nichts raus, aber wenn man sagt, es sei für dich, kriegt man mehr als man tragen kann. Ich würde gerne wissen, wie -“ Laurentin erblickte Lord Greystone und verstummte.
Jake wandte sich wieder an Ian: „Beginnen wir oder soll ich warten, bis ihr eure Vesperstunde beendet habt?“ Der Spott in seiner Stimme war unüberhörbar.
Ian schüttelte den Kopf. „Nein, wir fangen an.“ Er hob sein Schwert und erwartete Jakes Angriff. Dieser erfolgte prompt, aber schwächer, als er es vermutet hatte. Das wunderte ihn. Sonst nahm Jake sich nie zurück, wenn er mit ihm kämpfte. Nach einer Weile erkannte er Jakes Taktik. Der Earl legte es auf eine längere Auseinandersetzung an. Ian erblasste. Es war nur eine Frage der Zeit, bis er aufgrund seiner Schmerzen und der Erschöpfung durch die vorangegangenen Übungskämpfe aufgeben musste.
Als hätte Jake seine Gedanken erraten, rief er ihm zu: „Dein Fehler ist, dich ständig zu überschätzen.“
Ian ärgerte sich. Wenn Jake wusste, dass er noch nicht gesund war, warum hatte er diesen Kampf gewollt? Doch es blieb ihm keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen. Er musste sich zusammenreißen, um weiter standhalten zu können. Seine Arme fühlten sich bleischwer an und die Muskeln in seinen Beinen brannten. Zu jeder Bewegung musste er seinen Körper aufs Neue zwingen, doch es half nichts mehr: Seine Schläge wurden schwächer und seine Paraden langsamer – Jakes Plan ging auf. Aber den Triumph, dass er ihn bat, die Auseinandersetzung zu beenden, wollte er dem Earl nicht gönnen! Mit eisernem Willen bemühte er sich, seine Verteidigung aufrecht zu erhalten, doch Jake kam immer näher an ihn heran. Schweiß lief über Ians Stirn, während er mit letzter Kraft die Hiebe des Earls abwehrte. Plötzlich spürte er einen stechenden Schmerz im linken Oberarm und Blut färbte sein Hemd rot. Er ließ sein Schwert fallen und versuchte mit der rechten Hand, die Wunde abzudrücken.
Seine Freunde auf der Tribüne raunten. Es passierte häufig, dass im Kampf jemand verletzt wurde, doch es war offensichtlich, dass der Earl diesen Treffer hätte verhindern können. Ian starrte Jake an, während das Blut über seine Finger lief.
Jake blickte unbewegt zurück. „Ich gebe dir einen gut gemeinten Rat: Du musst mehr Abstand halten. Hast du verstanden, was ich meine?“
Ian nickte. Er konnte die Wut in seiner Stimme kaum unterdrücken. „Ich habe Euch sehr gut verstanden, Lord Greystone.“
Der Earl steckte sein Schwert zurück in den Waffengürtel und verließ grußlos die Halle.
Philipp kam als erster bei Ian an. „Um Himmels Willen, was war das?“
„Eine Warnung, vermute ich.“
Sein Freund grinste. „Du musst dem Earl ganz schön auf die Füße getreten sein.“
Ian versuchte Philipps Lachen zu erwidern, was ihm allerdings nicht recht gelingen wollte.
„Geht aus dem Weg, die Wunde muss verbunden werden.“ Colin hatte Verbände aus der Truhe geholt und schob Ians Ärmel hoch.
Schließlich erreichte Laurentin die Gruppe. „Der Mann ist unmöglich! Du rettest sein Leben und er bringt dich fast um.“ Er legte Ian seinen Arm um die Schultern. „Wenn Colin mit dem Versorgen der Wunde fertig ist, bringe ich dich in dein Zimmer und stecke dich ins Bett.“
Ian fehlte die Kraft, ihm zu widersprechen.
Zur gleichen Zeit betrat Lady Tamara Joannas Zimmer, gefolgt von einer Zofe, die ein Tablett trug. „Ich bekomme Frühstück ans Bett gebracht“, freute sich Joanna. „Das ist mir ewig nicht mehr passiert.“
„Das hatte ich befürchtet“, erwiderte Lady Tamara. „Eine echte Dame erscheint frühestens zu Mittag bei den gemeinsamen Mahlzeiten.“ Mit einem Winken bedeutete sie der Dienerin, das Tablett auf Joannas Nachttisch zu stellen.
Mit großen Augen starrte Joanna auf das, was sie für ihr Frühstück gehalten hatte: einen Becher Wein und einen Apfel. „Ich esse meist etwas mehr“, sagte sie vorsichtig.
„Wartet ab, Lady Joanna. Wenn wir gleich das Korsett anpassen, werdet Ihr dankbar sein für alles, was Ihr nicht gegessen habt.“
Kurze Zeit später stand Joanna neben dem Bettpfosten und hielt sich daran fest. Lady Tamara schnürte ihr das Korsett zu
Weitere Kostenlose Bücher