Grim - Das Erbe des Lichts
Albenvölker und von den ruhmreichen und glanzvollen Zeiten der Krieger des Lichts. Sein Gesang drang Mia in die Seele, als er auf die Menschen zu sprechen kam, auf die Verbundenheit, die einst zwischen ihrem Volk und der Anderwelt bestanden hatte, und sie wusste, dass Theryon nicht nur für Hortensius sang. Nein, sein Lied galt auch ihr — und allen anderen, die für die Freiheit kämpften, für ihre eigene oder die von Fremden, fern der Heimat oder in ihrem eigenen kleinen Kreis. Er sang von der Schönheit der Welt und von ihrer Trauer, nun, da sie eines ihrer Kinder verloren hatte, und er sang von ihrer Freude, da jedes ihrer Geschöpfe auf ewig ein Teil des großen Ganzen bleiben würde, ein Teil der Ewigkeit, die sie erschaffen hatte.
Die Sonne versank während Theryons Lied, und kaum dass sie ganz verschwunden war, hörte Mia steinerne Schwingen in der Luft und das leichte Vibrieren des Bodens. Atemlos sah sie, wie Gargoyles über die Dünen an den Strand traten, unzählige Schattenflügler und andere Krieger Ghrogonias, gerüstet in pechschwarze Uniformen, die Blicke auf den gefallenen Ritter gerichtet. Auch Pheradin und seine Mutanten waren unter ihnen, ebenso wie zahlreiche Kobolde. Sie alle würden mit dem Krieger des Lichts in die Schlacht gegen Feen und Alben ziehen, sie würden für die Rettung der Menschen kämpfen — und sie waren gekommen, um Hortensius die letzte Ehre zu erweisen.
Noch während sie am Strand Position bezogen, fielen sie zeitgleich mit den Elfen in den Gesang des Feenkriegers ein. Es war, als würden sie gegen die Dunkelheit ansingen, die nun über das Meer zog, und ihre Stimmen verbanden sich zu einem Chor aus Licht und Schatten, der Mia wie unter einem Zauber in den Gesang einfallen ließ. Noch nie hatte sie solche Worte auf ihren Lippen gefühlt, es war, als wären sie die Knospen einer goldenen Blume, die immer schon tief in ihrem Inneren darauf gewartet hatte zu erblühen. Sie hörte Grims, Remis' und Jakobs Stimmen in dem Meer aus Klängen und wusste, dass Hortensius in diesen Augenblicken ein Teil von ihnen allen wurde. Seine Sturheit, seine Hoffnung, seine Stärke zu kämpfen bis zum Schluss — all das würden sie in sich bewahren.
Da tauchten Gestalten aus dem Meer auf. Im ersten Moment sahen sie aus wie Menschen, doch dann erkannte Mia ihre bläuliche Haut und das grüne, algenbesetzte Haar. Die Augen dieser Geschöpfe waren groß und mandelförmig und von einem durchdringenden Türkis, das fremd und schön zu ihr herüberschimmerte. Meerwesen waren es, die dort aus den Wellen tauchten, sieben an der Zahl, und sie streckten die Arme aus den Fluten und fielen mit sanften Stimmen in den Gesang ein. Langsam bewegte das Floß sich wie unter einem magischen Ruf auf sie zu, wurde von den Wellen empfangen und von den Geschöpfen des Meeres weiter hinausgezogen, bis es schließlich in einiger Entfernung innehielt. Im selben Augenblick endete der Gesang.
Die Stille, die nun folgte, nahm Mia den Atem. Gleichzeitig traten sieben Elfen vor, ergriffen ihre Bögen und schickten sieben brennende Pfeile auf Hortensius' Floß. Augenblicklich entfachten sich die Flammen. Mia versuchte, Hortensius' Gesicht noch einmal zu sehen, doch schon wurde seine Gestalt vom Feuer verschluckt.
Da trat Carven vor, er ging einfach ins Meer hinein, als wollte er seinem Meister folgen. Grim wollte ihn zurückhalten, doch Mia ließ seinen Arm nicht los. Schon blieb Carven stehen, knietief im Meer versunken, den Blick fest auf die Flammen gerichtet, und wiederholte den Chorus des Albenliedes mit kristallklarer Stimme. Mia spürte, wie ihr Tränen über die Wangen liefen, als sie Carven singen hörte. Es klang wie ein Klagelied, wie das Weinen eines Kindes in tiefschwarzer Nacht, und gleichzeitig so kraftvoll und unantastbar, dass Mia unwillkürlich das Bild eines Engels im Kopf hatte, als sie den Jungen betrachtete mit seinen durchnässten Kleidern und dem Wind in seinem Haar. Eines wusste sie genau: Wenn sie jemals einen Engel würde singen hören — dann musste er sich an diesen Klängen messen lassen.
Kapitel 51
it leisem Flügelschlag landete Grim auf einer kleinen Anhöhe. Die Elfen und die Armee Ghrogonias hatten bereits Aufstellung genommen und schauten schweigend auf Brú na Bóinne hinab, das Tal der Könige, in dem noch vor kurzer Zeit nicht mehr zu finden gewesen war als einige Grabmale aus der Megalith-Kultur. Die Menschen hatten geglaubt, dass diese Bauwerke von Menschenhand errichtet
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