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Grim - Das Erbe des Lichts

Grim - Das Erbe des Lichts

Titel: Grim - Das Erbe des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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worden waren, doch das war ein Irrtum gewesen. In Wahrheit hatten die Feen an diesem Ort vor langer Zeit die Tempelstadt Alfrhandhar errichtet, in der sie ihren Vorfahren huldigten — unter ihnen die Göttin Böinne, nach der auch der das Tal umfassende Fluss Boyne benannt war. Viele Tausend Jahre war es her, seit die Stadt erbaut worden war, und als die Feen sich in die Hügel zurückzogen, verfielen ihre oberirdischen Stätten nach und nach, bis sie durch den Zauber des Vergessens beinahe vollkommen von der Erdoberfläche getilgt wurden. Bis vor Kurzem war in diesem Tal nichts weiter übrig gewesen als einige Ganggräber wie Dowth, Knowth oder Newgrange. Doch nun war die Magie der Feen in die Welt zurückgekehrt — und sie errichtete die Alte Tempelstadt neu.
    Die Ausmaße Alfrhandhars waren gewaltig. Die Stadt umschloss sämtliche Gräber und wurde im Süden vom Fluss begrenzt. Grim konnte sich einer gewissen Bezauberung nicht erwehren, als er den Blick über die Gebäude gleiten ließ. Sie bestanden aus glänzendem Schwarzkristall, einem besonderen Mineral der Feen, das härter war als Diamant und in klaren Nächten das Licht des Mondes in sich aufnahm, sodass die Gebäude stets in einem silbrig-schwarzen Schimmer standen. Gewaltige Banyanbäume hatten ihre Wurzeln in die Häuser gekrallt und erhoben sich mit dunkelblauen Blättern auf den Dächern und in den Nischen zwischen den Gebäuden. Noch lagen zahlreiche Bauten in Ruinen, aber die Magie der Feen strich in geisterhaften Nebeln über sie hin, und Grim meinte fast, das Seufzen der Türme und Zinnen zu hören, während sie wieder errichtet wurden. Schattenreich ragten die Umrisse verschiedener Tempel auf wie das Heiligtum der Hoffnungsgöttin Ayon mit der gewaltigen Treppe, aber Grim erkannte auch Thermen und kleinere Theater, die mit geschwungenen Sitzreihen in der Dunkelheit lagen, und er sah die kristallene Kuppel der Rh'ag Fheyna — der berühmten Bibliothek der Feen, in der Zauberschriften wie das Sefer ha-Razim, das
Buch der Geheimnisse,
das Arbatel de Magia Veterum und das Original des Voynich-Manuskripts ebenso bewahrt wurden wie der achtfache Höllenzwang des Doktor Faustus.
    Die Stadt lag in silbernem Zwielicht, umspielt von tanzenden Schatten. Nur in ihrem Zentrum, ganz in der Nähe des Grabhügels Newgrange, erhob sich ein Tempel aus purem Gold. Reich verzierte Säulen hielten das Gebälk und warfen das flackernde Licht der Fackeln zurück, die den riesigen sternförmigen Platz vor dem Tempel umsäumten. Golden pulste das Licht zu Grim herüber und ließ ihn an das Schlagen eines gewaltigen Herzens denken. Beinahe hätte ihn dieser Anblick lächeln lassen. Doch er wusste, wessen Herz es war: Deutlich sah er die mit kostbaren Juwelen besetzte Figur einer Krähe im Tympanon des Tempels — das Zeichen Morrígans. Und er erkannte auch die Alben und Feen, die sich auf dem Platz vor dem Heiligtum der Urfee versammelt hatten. Die Schneekönigin konnte er nicht sehen, aber er wusste, dass sie im Tempel der Urfee auf die Todesstunde Auryls wartete — und dann würde sie sich Morrígan einverleiben und ihre Pläne mit der Erweckung ihres Sohnes und dem Einriss der Grenze zu einem fulminanten Ende bringen. Ja, das war ihr Ziel, doch mit einem hatte sie nicht gerechnet. Grim ließ die Knöchel seiner Faust knacken. So leicht würde er es ihr nicht machen.
    Er wandte den Blick halb zurück. Die Umrisse der Ghrogonier und Elfen erhoben sich wie Schattenrisse in der Nacht. Aus dem Augenwinkel sah er Kronk, Walli und Vladik, auch Larvyn, Rosalie und Mourier und all die anderen, die auf sein Zeichen warteten. Gemeinsam würden sie die Pläne der Königin vereiteln. Noch hörte er die Stimmen der Elfenmagier, die konzentriert den Zauber wirkten, der sämtliche Alben von der Zwischenwelt trennen und so ihre Regeneration verhindern würde. Sobald sie ihn beendet hatten, würden die Gargoyles sich in diese Welt des Nichts begeben und rechtzeitig vor dem Erlöschen des Zaubers die Herzen der Alben vernichten, deren kriegerische Pendants ebenso wie die Feen zeitgleich von den Elfen und den übrigen Ghrogoniern zum Kampf gefordert würden. Sobald ihre Herzen zerstört waren, konnten die Alben sich nicht länger regenerieren, und ihre Reihen würden sich unter den Hieben ihrer Gegner lichten.
    Grim holte tief Atem. Angespannt wartete er auf den Ruf von Remis, der mit den Kobolden als Vorhut in die Stadt geschlichen war, um eine vorzeitige Entdeckung der übrigen

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