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Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor

Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor

Titel: Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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soweit ist.« Er zeigte ihr, wie man das Funkgerät bediente. »Es wird ein Heidenspaß für Sie.«
    Mary Lee runzelte die Stirn; sie schien sich mit dem Apparat nicht anfreunden zu können. »Also, ich weiß nicht -«
    Macalvie sagte: »Tun Sie’s einfach, ja? Juke Blues bringt einen großen Artikel über dieses Konzert, richtig groß, und darin sollen auch ein paar von den Leuten hinter den Kulissen vorkommen.« Er zwinkerte und klopfte ihr auf die Schulter.
    Mary Lee sah ihn mit großen Augen an.
    Jury hakte nach. »Zunächst aber gehen Sie zum ersten Rang hoch und richten der Dame in Silber und Rot - sie muß in der Mitte der zweiten, dritten Reihe sitzen -«
    »Oh, die ist mir schon aufgefallen.« Mary Lee rückte ihr eigenes Dekollete zurecht, als wollte sie es mit dem chinesischen Ausschnitt aufnehmen. »Was ist mit ihr?«
    »Richten Sie ihr aus, ich brauche mein ganz persönliches Team von Claqueuren, wenn etwas Außergewöhnliches passiert. Sie soll applaudieren, kreischen, auf und ab hüpfen - «
    »Das klappt nicht, Jury«, sagte Macalvie. »Vielleicht fünf Sekunden, länger nicht.«
    »Ich brauche nicht mehr als fünf Sekunden.«
    »Ich brauche nicht mehr als eine Erklärung«, sagte Melrose.
    Daß der feine Pinkel neben ihr anscheinend auch nicht besser im Bilde war, brachte Mary Lee in Schwung. »In Ordnung, Süßer.« Und schon marschierte sie hüftschwingend die Treppe hoch.
    »Los«, sagte Macalvie, »nichts wie nach oben.«
    Das Odeon hätte genausogut lauter Stehplätze verkaufen können, denn niemand saß. Die Sitzreihen waren überflüssig geworden. Angesichts der Begeisterung bei den beiden nächsten Nummern war Jury sicher, daß sich die Zuhörer das ganze Konzert im Stehen anhören würden.
    Unterstützt nur von Caton Rivers stürzte sich Swann in ein Solo von »Sunday’s Gone Again«. So wie Swann auftrat, hätte sein Selbstverständnis für ein Dutzend Bands gereicht, aber er konnte singen wie eine Nachtigall und besaß einen unglaublichen Stimmumfang. Die höchsten Töne waren so silbrig wie die Jacke, die er trug. Kein Wunder, daß Jiminez (der eher unterkühlt auftrat) ihn unbedingt in der Band haben wollte.
    Jury hielt den Atem an, denn im nächsten Stück kam Charlie Raines Solo. Charlie bewegte sich nicht wie die anderen; er wirbelte nicht herum wie Jiminez, der die Anmut eines Tänzers besaß; er beherrschte die Szene nicht wie Swann, der unter dem Beifall des Publikums die ganze Bühne für sich beanspruchte. Charlie agierte scheu und zugleich distanziert; er ließ sich nicht aus der Ruhe bringen.
    Und so stand er auch jetzt gelassen da, in das Licht zweier Scheinwerfer getaucht, und sang zur akustischen Gitarre in den stillgewordenen Saal »Yesterday’s Rain«. Als er verstummte, wog das Schweigen der Zuhörer so schwer wie der stürmische Applaus, der kurz darauf unter Getrampel und Gejohle einsetzte.
    Jury bekam wieder Luft und blickte zu Macalvie neben dem Treppenaufgang hinüber, dann zu Plant, der den Balkon mit seinem Opernglas absuchte.
    Die Band hatte eine knappe Stunde gespielt ... weitere vierzig, fünfzig Minuten standen noch aus. Eine Pause machten sie nicht.
    Jiminez und Rivers am Keyboard improvisierten, was auch den Zuhörern ein wenig Zeit zum Durchatmen gab und Charlie die Gelegenheit, sich den Kopf abzutrocknen. Die beiden Suchscheinwerfer hatten sich jetzt getrennt, einer folgte Jiminez, der andere Raine, die sich nun abwechselnd in technischen Kunststücken überboten, Alvaro mit einem funkigen Blues-Thema, das immer wieder an eine klassische Sequenz erinnerte - Bach, dachte Jury. Er mußte lächeln, obwohl ihn vor Anspannung alle Glieder schmerzten. Dieser »Hinterhof-Blues« war ein Ohrenschmaus, eine Mischung aus perfekt verstärkter akustischer Gitarre mit kräftigen, verzerrten Slide-Effekten.
    Jury spürte, wie die Menschen vor ihm und die Menschen hinter ihm schoben und drängelten; Menschen standen im Mittelgang mit dem Rücken zur Wand und applaudierten. Er zwängte sich durch und stellte sich unter dem »Ausgang«-Schild auf, konnte aber nichts sehen, weil ihn das reflektierte Licht der Scheinwerfer blendete. Beide Beleuchtungstechniker hielten die Scheinwerfer genau auf die Musiker gerichtet - Macalvie stand neben dem Treppenaufgang, runzelte die Stirn und starrte zur Bühne hin. Die Scheinwerfer arbeiteten nicht mehr synchron. Einer folgte dem Schwarzen, diesem Jiminez, der überall und nirgends zu sein schien. Der andere bewegte sich nicht, war

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