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Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor

Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor

Titel: Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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dachte, es gehörte Roger Healey oder ihrem Vater.«
    »Nicht die Bohne. Die beiden hatten auch was, klar. Healey ein bißchen, Charles Citrine nicht gerade wenig. Aber keine fünf Millionen, nicht solch einen Batzen. Nicht sie wurden erpreßt, sondern die Stiefmutter. Sie hatte das Geld. Das Geld ihrer Mutter Helen, offenbar ein Vermögen. Ein bißchen hatte sie dem Ehemann vermacht - aber der hatte sowieso schon genug -, etwas der Schwägerin, der Rest ging an die Tochter.«
    In den Berichten hatte gestanden, daß die Familie Citrine-Healey sich geweigert habe, das Lösegeld zu zahlen. Nicht, welches Familienmitglied. Charles Citrine war als Sprecher der Familie aufgetreten; deshalb hatte man annehmen können, daß er der festen Überzeugung gewesen war, die Polizei hätte recht; zu zahlen garantierte nicht, daß sein Enkel in Sicherheit war. Es mochte ihn eher gefährden.
    Jury stützte den Kopf auf; er dachte an Nell Healey, erinnerte sich an die Stunden, in denen er ihr nachgegangen war.
    »Und acht Jahre später«, sagte Macalvie, »bringt sie ihren Mann um. Warum?«
    Jury fuhr sich durch die Haare, als könnte er damit sein Gehirn ankurbeln. »Ich weiß es nicht, Macalvie.«
    Neuerliches Schweigen. »Das ist wirklich eine außergewöhnliche Lady, Jury.«
    Womit Nell Healey jenen zehn Prozent der Erdbevölkerung zugesellt war, mit denen es Divisional Commander Macalvie aushalten konnte.
    Das schmale Haus in einer Straße von Mayfair schmiegte sich zwischen einen Goldschmiedeladen und eine Galerie, alle beide so exklusiv, daß sie jeweils nur ein einziges Stück ausstellten: hier ein Saphirgeschmeide, das über seiner Kristallkonsole zu schweben schien; dort ein einziges Gemälde in schwerem Goldrahmen, das an beinahe unsichtbaren Drähten aufgehängt war. Überhaupt schien ganz Mayfair in Dimensionen zu existieren, die nicht den Gesetzen der Schwerkraft unterlagen.
    Mit den Büroräumen des Smart-Verlages betrat Jury eine weitere Dimension, eine aus Licht und gedämpften Geräuschen. Aus verborgenen Lautsprechern plätscherte pastorale Musik, die wunderbar zu dem wäßrig-gelben Ambiente paßte. Lediglich das gebrochene Weiß, in dem die Flure gestrichen waren und das mit der bläßlichen Farbe bestens harmonierte, bot eine gewisse Erholung für das Auge. Das Ganze wirkte wie Baisertorte, was den Verdacht aufkommen ließ, die Redakteurin der Küchenseite könnte sich hier selbst verwirklicht haben.
    Jury saß im Empfangsraum und blätterte in einem Exemplar von Segue. Offenbar produzierte man hier noch zwei weitere Magazine - ein Hochglanzdings namens Kultouring und eine Art Kunstzeitschrift, die sich Renaiscene nannte. Mein Gott, war das ein Name! Das Magazin widmete oder vielmehr weihte sich den elysischen Gefilden der Betuchten. Marmorne Interieurs, malvenfarbene Vorhänge, Kirmanteppiche und behandschuhte Dienstboten; al fresco-Szenen an sonnengefleckten Swimmingpools; Morgen um Morgen edler Landschaftsgärten, dämmrig überschattete Pfade zwischen Zypressen und filigranhaften Weiden luden ein zu Rendezvous und Meditation. Gefilde also, die es nirgendwo gab, außer zwischen den Deckblättern von Renaiscene.
    Segue war die bei weitem seriöseste Zeitschrift von den dreien, aber auch die teuerste, aufwendigste. Auf dem Titelblatt prangte ein ernst aussehender, ernst gesinnter Cellist vor blausamtenem Hintergrund. Jury bemühte sich gerade, sich zu dem Namen etwas einfallen zu lassen, gab aber auf, da er wußte, daß er ohnehin noch nie von dem Musiker gehört hatte, als die Empfangsdame mit einer Tasse Kaffee hereingeschwebt kam. Hauchdünnes Porzellan, nicht etwa Plastik.
    Sie blieb wie angewurzelt stehen und fragte ihn, was er wolle. Er sagte, er hätte eine Verabredung mit Mr. Martin Smart. Da ihr das keinerlei Reaktion entlockte, setzte er (nachdem er ihr seinen Dienstausweis zugeschoben hatte) hinzu, jeder andere, der Roger Healey gekannt habe - wie sei es beispielsweise mit ihr? -, wäre ihm auch recht. Das brachte sie so auf Trab, daß die Porzellantasse auf dem Teller klapperte, während sie zum Haustelefon eilte.
    Sie ließ sich den Termin bestätigen und sagte dann mit hoher, schriller Stimme, sie würde ihn zu Mr. Smart bringen. Drei Treppen hoch, und einen Lift gab es nicht.
    An der Schwelle zu Mr. Smarts Büro, in dem leider kein Mr. Smart zu sehen war, baute sie sich auf und sagte: »Er wird gleich hier sein.«
    Jury nickte. »Danke.« Dann lächelte er sie an, und sie gab das Lächeln zurück,

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