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Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor

Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor

Titel: Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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sanft.
    Keine Reaktion; sie wurde nur noch stiller.
    »Ihr Mann besaß kein solches Vermögen. Aber Sie. Die anderen taten zwar so, als ob ihnen das Geld gehörte, aber Sie waren diejenige, die den Scheck hätte unterschreiben müssen. Und das haben Sie nicht getan; Sie weigerten sich.«
    Sie hob die gefalteten Hände zum Mund und machte die Augen fest zu, so als könnte sie damit zurückdrängen, was sich Bahn zu brechen drohte: Tränen, Worte, Gefühle. Am Ende entspannte sie sich wieder und fragte matt: »Woher wissen Sie das? Der Superintendent -« Sie unterbrach sich, wahrscheinlich war ihr aufgegangen, daß sie sich verraten hatte.
    »Goodall hatte Charles Citrine versprochen, daß man den Bericht ein wenig abändern würde, wie? Der Polizei konnte es ohnehin egal sein, wer bei Ihnen das Sagen hatte.«
    »Der Sergeant -« sagte sie und wirkte immer noch wie vor den Kopf geschlagen. »Das hat Ihnen der Sergeant erzählt. Ich sehe ihn noch ganz deutlich vor mir. Ein gewisser Macsowieso.«
    »Macalvie. Und Sergeant ist er auch nicht mehr. Er ist jetzt ein ziemlich hohes Tier, Divisional Commander. Das gleiche wie ein Chief Superintendent.«
    »Dann sind Sie auch ein ziemlich hohes Tier.«
    Jury lächelte. »Nicht so hoch wie Macalvie. Nicht mal Gott ist höher als er.«
    Erstaunlich, aber sie lächelte tatsächlich. Das hatte sie bis jetzt kaum getan, und nun lächelte sie ausgerechnet über Brian Macalvie. »Sie hassen ihn doch nicht etwa? Weil er Ihnen so unverblümt geraten hat?«
    Daß man ihr unterstellte, ihn zu hassen, schien sie zu bestürzen. »Warum sollte ich? Ich hätte seinen Rat ja nicht befolgen müssen. Und die Polizei hatte ohnehin ein ähnliches Vorgehen empfohlen; der andere Beamte sagte das gleiche, nur verstand er kaum zu überzeugen. Der Sergeant jedoch war sehr überzeugend und eindringlich; wahrscheinlich riskierte er dabei selber Kopf und Kragen. Er vermittelte das Gefühl, als wüßte er genau, was er tut.«
    Jury lächelte. »Er würde Ihnen sofort zustimmen.«
    »Eingebildet wirkte er aber nicht.«
    »Oh, das hat nichts mit Einbildung zu tun. Er glaubt lediglich an seine Gaben - und davon hat er reichlich, das können Sie mir glauben. Daß Sie Billy nicht zurückbekommen haben, heißt nicht, daß er sich geirrt hat. Aber manchmal müssen Sie doch gedacht haben, daß, wenn Sie das Lösegeld gezahlt hätten .«
    Sie rückte von ihm ab, und ihre Aufmerksamkeit schien sich auf die schwarze Rinde einer Eiche zu richten. »Vorbei ist vorbei. Aber das ist es schon lange; damit komme ich vor Gericht nicht weit, wie Sie ganz richtig sagen.«
    Jury ging zu dem Baum und stemmte die Hand dagegen. »Ich glaube nicht, daß unser Wissensvorsprung an der Sache etwas ändern würde.«
    Sie runzelte die Stirn. »Man wird ihn vorladen, und Sie - «
    »Im Polizeibericht steht, daß die >Familie< sich geweigert hat, das Lösegeld zu zahlen. Die Sache ist die: Macalvie - und ich - könnten ein Interesse daran haben, daß der Gerechtigkeit Genüge getan wird. Sie aber -« Jury hob die Schultern -, »ich bin mir nicht sicher, ob Ihnen damit geholfen ist. Auf mich wirken Sie wie jemand, der endlich eine sehr schwierige Aufgabe zu Ende gebracht hat und sich um die Konsequenzen nicht schert.«
    Er hatte sich wieder vor sie gestellt; sie starrte auf seinen Pullover, seinen Trenchcoat, mied jedoch seinen Blick. »Sie halten mich für kaltblütig.« Das sagte sie mit betrübter Miene.
    »Nein. >Unnahbar< ist nicht >kaltblütig<.«
    Sie stand da, sah die verkrüppelten Zweige an und sagte nichts mehr.
    »Leben Sie wohl, Mrs. Healey.«
    »Leben Sie wohl.«
    Er hatte sich schon ein paar Schritte entfernt, da hörte er sie sagen: »Und bleiben Sie kalt.«
    Da die Angestellte des Fremdenverkehrsamtes von Haworth noch damit beschäftigt war, eine Frau in mittleren Jahren zu bedienen, durchstöberte Melrose den kleinen Raum, griff nach ein, zwei düsteren Broschüren in Schwarzweiß über die Moore ringsum und das Dorf. Vielleicht sollte er eine davon, die mit der Abbildung des Pfarrhauses und des Friedhofs, Vivian schicken, nur damit sie wußte, wo er sich seit ihrer letzten Begegnung herumdrückte. Während er die Ständer durchging, verfolgte ihn ein zehn- bis zwölfjähriger Junge mit Pfannkuchengesicht und einer großen Tüte Chips im Arm; das unleidliche Gör lutschte einen knallroten Lolli, um den sich ein giftgrüner Streifen ringelte, und gehörte wahrscheinlich zu der Frau am Tresen. Der Junge hatte ausdruckslose

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