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Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor

Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor

Titel: Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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seinen aufgereihten Knochen, den ledrigen Hautfetzen und all den Dingen, die in großen Behältern schwammen, glich es einem Bild von Dali, wirkte alles in allem eher surreal als grausig. Zwei Skelette standen in voller Blüte, falls man die leuchtendrote Nelke zwischen den Rippen des einen und einen vertrockneten Kranz aus Gänseblümchen ums Schlüsselbein des anderen so deuten wollte.
    Dennis Dench schüttelte den Kopf. »Das geht auf Minervas Konto.«
    »Minerva?« fragte Sergeant Wiggins und riß die Augen von einem Glasbehälter los.
    »Die Sie reingelassen hat. Sie findet das hier anscheinend zum Schieflachen.«
    Jury konnte sich nur schwer vorstellen, daß die junge Frau, die sie hereingelassen hatte, sich über irgend etwas schieflachte; ihr Gesicht hatte wie eine aschfarbene Totenmaske ausgesehen.
    Dench holte sich eine gestärkte weiße Jacke vom Haken und sagte: »Ich habe ihr ein dutzendmal gesagt, das Laboratorium braucht nicht gesaugt zu werden, aber sie besteht darauf, daß der Fußboden geschrubbt und die >Skellis< abgestaubt werden müssen. Ich glaube, sie hat ihnen sogar Namen gegeben. Selbstverständlich rührt sie sonst nichts an, ich habe ihr nämlich gesagt, ich stecke sie in die Wanne da« - er deutete mit dem Kopf auf eine Art Waschwanne -»und verstreue ihr >Skelli< in der Salcombe-Bucht.«
    »Was bauen Sie denn da zusammen?« Macalvie zeigte auf die lange weiße Resopalplatte eines Tisches, an dessen einem Ende ein Kasten mit Sand und am anderen die bedrohlich wirkende Wanne standen. Aus dem Sandkasten ragten Knochen, wohl zum Trocknen; andere schwammen in der Wanne in einer ekelhaften Brühe, die das restliche Fleisch von den Knochen lösen sollte. Dennis Dench zog sich Chirurgenhandschuhe an, holte ein paar kleinere Knochen heraus und tauchte sie in ein anderes Bad. Die Hängelampe blendete, eine falsche Sonne.
    »Sehen wir uns mal Billy Healeys Skelett an, ja?« sagte Macalvie und kaute munter seinen Kaugummi.
    Nachdem der Doktor die beiden Knochen in die Wanne getaucht hatte, stellte er sie aufrecht in den Sand und sagte: »Ich kann Ihnen zwar ein Skelett zeigen, aber es gehört nicht Billy Healey.«
    »Bloß weil ich kein Examen in Anatomie habe, heißt das noch lange nicht, daß ich mich darüber nicht schlau gemacht habe.«
    Dennis Dench nahm das weiße Tuch hoch, und da lag das Skelett eines Kindes, das nach Jurys Meinung noch nicht in der Pubertät war. Abgesehen von ein paar Teilchen, die säuberlich im Halbkreis neben einem Bein aufgereiht waren, hatte Dennis Dench alles wieder zusammengebaut. Zu Füßen des Kinderskeletts lagen kleinere Tierknöchelchen.
    Macalvie stand mit den Händen in den Hosentaschen, den Regenmantel zurückgeschoben. Er deutete mit dem Kopf auf die Knochenteilchen. »Passen die nicht ins Puzzle?«
    »Lohnt sich nicht. Sie dürften sich sowieso verzogen haben. Die würden uns auch nicht weiterhelfen.«
    Wiggins hatte sich inzwischen an dem Eingemachten in den Glasgefäßen und den Fotoreihen an der Wand satt gesehen und gesellte sich zu ihnen, um das Skelett zu betrachten. Er fuhr sich mit der Hand über den eigenen Brustkorb und sagte: »Sieht so aus, als wäre alles da.« Das wirkte, als stellte er Vergleiche an. »Was läßt sich anhand von Skelettresten am schwersten bestimmen, Professor?«
    Macalvie fauchte: »Das Alter.«
    Dennis Dench wandte gequält den Blick ab. »Brian, wie viele Male haben wir uns deswegen schon gestritten? Bei einem Kind ist das Alter am leichtesten zu bestimmen. Sie wissen sehr wohl - wie Sie sagen, haben Sie sich ja darüber schlau gemacht -, daß die Knochenfuge nur beim Erwachsenen völlig geschlossen ist.« Und zu Wiggins und Jury gewandt: »In diesem Fall ist es ziemlich leicht. Es handelt sich um das Skelett eines noch nicht geschlechtsreifen Weißen zwischen vierzehn und, sagen wir, sechzehn. Der kleine Healey war erst zwölf.«
    Macalvie schüttelte unentwegt den Kopf. »Erzählen Sie mir nicht, daß Sie das so genau eingrenzen können.«
    »Verdammt noch mal, und ob ich das kann. Abgesehen von ein paar milieubedingten Abweichungen kann man die Knochenfuge bei einem Kind im Wachstum von Jahr zu Jahr exakt bestimmen.«
    Macalvie sagte großmütig: »Gut, zugegeben, aber-«
    »Und die Zähne? Alles deutet darauf hin, daß es sich um das Skelett eines Jungen handelt, der älter war als Billy Healey.«
    Jury sagte: »Sie haben etwas von milieubedingten Abweichungen gesagt. Darunter fällt doch auch Unterernährung,

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