Grimms Erben
den Bürgersteig. Plötzlich fühlt er unter seinem linken Schuh eine weichliche, nachgebende Masse.Teigig. Breiig. Ein Blick nach unten verrät: Kot! »Grimm und Ingrimm! Hundssakrament!«, stößt Locher fuchsig hervor. »So ein Schei… benhaufen.« Locher ruft über die Straße, wo Herr Malangré samt seinem Hund Bombay gerade sein eigenes Stück Land betritt: »Herr Malangré, wir sollten mal reden. Ihr Hund…« Völlig gelassen verschwindet der Hundebesitzer in Richtung seines Hauses, ohne sich umzudrehen.
Verdammt, wieso kotet der Hund nicht in seinem eigenen Garten ab? Jeden Morgen diese Scheiße!
Widerwillig stapft Locher zurück. Der aufkommende Tag bringt aufkommenden Zorn. Im Regal im Vorraum des Wals befinden sich die dem Entsorgen von Hundedreck dienlichen Plastiktüten. Wieder am Schauplatz der Grässlichkeit bückt sich Locher und sammelt stringent die Bollen ein. Gar kein leichtes Unterfangen, da zum einen durch seinen Tritt eine klare Struktur deformiert wurde und der Dreck am Asphalt klebt, zum anderen der Köter offenbar gestern den gesamten Vorrat an »Bozita Nassfutter« gefressen hat – der Menge nach zu urteilen.
Soll er doch in die Büchsen scheißen und sich sein Rektum blutig schneiden.
Immer wieder neue Säcklein füllend, hantiert und balanciert Locher rastelliartig mit den tierischen Ausscheidungen.
Herrschaft! So ein Mist. Fremder Hundekot in den Händen ist ein Armutszeugnis, denkt Locher. Irgendwie ist das auch eine Theorie.
Nach zehn Minuten schmeißt er das letzte Tütchen in seine Aschentonne. Den Gedanken an einen Schuhwechsel verwirft er aufgrund Zeitmangels. Als Locher aufgebracht sein Rad besteigt und gen Arbeitsplatz losradelt, blickt ein schadenfroh grinsender Malangré aus dem Küchenfenster auf die Straße. Das konnte Locher erkennen. Der Tritt auf dem Fahrrad ist schwer. So wie sein Herz.
B – DIE GABELSTOSSLEGENDE
»’s Gott« murmelt Locher in Richtung Kasse, als er den Supermarkt betritt. Die Cernak sitzt da und manikürt sich. Keine Reaktion. Am Salatregal stößt er mit seiner Ziegenhaartasche gegen drei Körbchen Pfifferlinge, welche auf den Boden knallen und sich wie gelbe Murmeln verteilen. Kurz hält er inne, dreht sich um und denkt: Dass bei denen immer etwas auf dem Boden liegt, wenn ich hier bin. Sollten mal eine zusätzliche Putzkraft einstellen.
Müde trabt er zum Getränkelager. Karamalz. Er schiebt eine Flasche in seine Umhängetasche. Spitzbub, Breze, zur Kasse. Wie in Trance schwebt er schwermütig durch die Gänge. Seine Waren zieht er behäbig und mühevoll aus seiner Trageziege. Polternd fallen sie auf das Förderband.
»Fünf dreiundzwanzig.«
Jetzt erst fährt Locher aus seiner Lethargie hoch, die sich schlagartig in Aufmerksamkeit und auch einen Teil liebevolle Aufgeregtheit umwandelt. Er steht vor der Cernak, welche seine Waren über den Scanner gezogen hat. Locher sieht sich jäh mit auftauchenden Freibadbildern konfrontiert, die sich in seinen Gedanken verweben. Glinda Cernak, die bildschöne, makellose Haut zeigende, ihm zuzwinkernde, gute Wassernixe aus dem Norden des Zauberlandes Oz. Er, der makelvolle Haut zeigende Tölpel aus Dusseldorf. Die Nervosität? Na? Richtig, sie steigt.
Er gräbt in vorderer Hosentasche nach dem nötigen Kleingeld.
»Was ist nun«, gurgelt die Cernak genervt und deutet mit ihren pinken Lackfingern auf die Digitalanzeige der Kasse.
Locher findet in dem Fundus an Gegenständen in seiner Hose einen Papierschein und reicht ihn weiter. Schnell packt er seine Waren in die Ziegenhaartasche.
»Locher, bitte.« Die Cernak streckt ihm genervt eine Eintrittskarte vom Jazzclub »Blue Note« entgegen. Locher beäugt den Schnipsel, um plötzlich erfreut festzustellen: »Sie waren auch bei Chris Potter im >Blue Note »Wollen Sie mich verarschen? Sie haben mir das gerade gegeben. Ich bekomme fünf dreiundzwanzig.«
Locher bemerkt seinen Fauxpas. Ruckartig fährt die linke Hand in seine Hosentasche. Die Rechte hält angestrengt seine Umhängetasche.
»Oh, selbstverständlich, das Geld, sofort, meine Liebe.«
Hoppla.
»Ich bin nicht Ihre Liebe, mein Lieber.« Mit ihrer tiefen verrauchten Stimme kontert sie sofort den augenscheinlichen Anmachversuch.
Sie nennt mich Lieber, mir geht das Herz auf!
Er stellt seine Tasche mit den Waren ab, um beidhändig in seiner Hose nach dem Geldbetrag zu fischen. Nicht
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