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Grimms Erben

Grimms Erben

Titel: Grimms Erben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Weber
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Blechbunker zu verspüren, kein Rückzug möglich. Die bunten Tierbildnisse erzeugten keine Regenbogengeschichten, sondern schmerzten grell in den Augen. Die Freude an der Arbeit war einer unbekannten Last gewichen. Bis auf einen gefährlichen Seitenhieb Panzers, der in die Runde rief, dass Locher wie ein Fass Rum stinke, und eine an seinen Hinterkopf geworfene Bananenschale gab es weiter keine nennenswerten Boshaftigkeiten in und aus der Abteilung vier. Die wenigen Fisimatenten schlugen aber anders als sonst ins Gemüt. Fast schon schneisenartig. Es scheint, als sei seine harte Schale gebrochen, als funktioniere sein Schutzschild nicht mehr korrekt, mit dem er bisher jeglichen Angriff abzublocken wusste. Normalerweise zieht er sich in sein inneres Exil zurück, evakuiert sich sozusagen vor der heranziehenden sozialen Katastrophe selbst. Die verbale oder körperliche Attacke implodiert und verdampft. Normalerweise.
    Um achtzehn Uhr verlässt Locher pünktlich die Druckerei Schering.
    Jetzt ist er daheim.
    Als er das Tor zu seinem Garten aufstößt, liest er im Eintreten über seinem Namensschild eine schriftliche Anbringung weiterer Buchstaben: statt A. Locher steht da nun A.RSCH Loch er . Er ist zu müde, um irgendwelche Gedanken zu finden, die sich damit auseinandersetzen. Er schiebt sein Rad in den Schuppen. Die verbrannte Tür sticht ihm ins Auge.
    Das wollte ich auch noch reparieren. Vielleicht morgen.

    Das Joch (Sieben Tatsachen: A—F)
    A – KOT FÜR DIE WELT
    »Na, Nilrem. Hast du fest geschlafen?« Locher steht vor seinem Haustier und streicht sich ein Schnittlauchbrot zum Frühstück. Dabei blickt er aus dem Fenster. Die Kräuterstückchen zeichnen ein trauriges Gesicht auf die Butter. Sein Spiegelbild zeigt im Fenster das Gleiche.
    »So gut und fest wie ich?« Saumseligkeit strömt durch seinen Körper, den er durch den gestrigen Schlaf wieder auf Augenhöhe mit seinem Geist bringen wollte. Von Erfolg war das nicht gekrönt. Weder Körper noch Geist kommen in Fahrt. Im Gegenteil. Der Gedanke an Arbeit erschreckt ihn. Kein Tatendrang will aufkommen. Kein Kraftakt in Sicht. Kein Märchen in imaginärer Reichweite, das ihm einen Stimmungswechsel gewährt.
    Sein Brot verschwindet in kleinen Bissen, mit einer Tasse Carokaffee spült er nach. Als der letzte Bissen schmerzhaft nach unten wandert, wandert sein Blick nach oben. In seinem eigenen Garten steht der Wolfsjunge Björn-Ben. Aus der linken Hand ragt ein Pfeil. Den Sportbogen um die Schulter gespannt, glotzt er dumpf in Lochers Küchenfenster. Die Beine des Jungen verschwinden komplett im Wildwuchs des Locherrasens. Als sich die Blicke treffen, springt die Zunge des niederträchtigen Kindes nach vorne.
    Mongoloider Balg!
    Locher will gerade das Fenster öffnen, um ihn von seinem Anwesen zu komplimentieren, da tritt Björn-Ben selbst den Rückzug an. Beim Verlassen des Anwesens schlägt er mit dem Pfeil nach allem, was sich ihm in den Weg stellt. Einige der Rosenblütenblätter fallen traurig zu Boden.
    »Was für ein… böser Mensch. Vor dem, Nilrem, musst du dich schön in Acht nehmen.«
    Über den im Fensterrahmen stehenden Vogelkäfig legt er die gelbe Platzdecke, die den Käfig schon seit Jahren schützt. Vor Kälte, Helligkeit und Blicken. Müde gibt der Vogel einen Pfeifton von sich. »Ziep.«
    »Na klar kannst du das machen«, meint Locher zum Tier. »Da musst du mich doch nicht fragen.«
    Der Vogel will von einem Sitzstab zum anderen springen, prallt aber mit dem Kopf gegen die obere Decke des Käfigs und saust wie ein getroffener Habicht auf den Käfigboden. Der Vogel ist der gleiche Tollpatsch wie Locher.
    Als dieser den gefiedert gefederten Aufprall hört, nimmt er noch mal das Platzdeckchen ab und öffnet das Gittertürchen.
    »Klar, mach das«, flüstert er seinem Freund Nilrem zu und lässt ihm im Haus freien Ausflug, da er sich der Geschlossenheit aller Fenster sicher ist.
    Locher steht schon an der Garderobe und legt sich seine Schutzdecke, den Parka, um.
    »Auf Wiedersehen, mein kleiner Kanarienmensch.«
    Beim Hinausgehen stößt er sich den Kopf an der kristallgläsernen Wandlampe. Er bemerkt es nicht.
    »Guten Morgen, Herr Malangré.« Locher grüßt den Hundenachbarn, welcher vor seinem Eingangstor steht. Obwohl ihm nicht danach ist. Erschrocken zieht dieser ohne eine Äußerung von dannen. War ja klar. Aus dem Schuppen holt Locher sein Fahrrad hervor und schreitet zur Pforte. Er öffnet das Gatter und schiebt seinen »Adler« auf

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