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Grimms Erben

Grimms Erben

Titel: Grimms Erben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Weber
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seine Tyrannei. Der Schmerz tobt am Ohr. Gänsehaut zieht über seinen Nacken und vor seinem geistigen Auge tanzen drakonische Monster, Dämonen und Oger um ein Feuer. Sie haben glühende Zangen, in den Zangen klemmt ein Kopf, der dem seinen verdammt ähnlich sieht.
    »Schleck es auf, du abartiges Stück Dreck. Du Bastard!«
    Da schlägt Locher Panzers Hand beiseite, weicht ein wenig zurück und presst ein wütendes »Halt’s Maul!« hervor. Im Affekt.
    Einige Sekunden reagiert nichts und niemand.
    »Was?« Panzer braucht einen Moment, um diese Gegenwehr zu registrieren. »Was war das?«
    Locher lässt verunsichert seinen Blick durch die Reihen wandern. Keiner lacht mehr, nichts raschelt. Totenstille. Stecknadel und so. Gebannte Augenpaare huschen zwischen Panzer und Locher hin und her. Ihm ist, als ob sein Ohr bis auf die Schulter herabhängt. Lochers Finger fummeln unruhig an den Knöpfen seines Arbeitshemdes. Als käme es aus einem anderen Menschen, als käme es aus einem anderen Ort, aus einem anderen Land, von einem anderen Universum und doch aus Lochers Mund:
    »Halt’s Maul!«
    Ein Nu vergeht.
    Da packt Panzer Lochers Genick und das Gemisch aus Öl und Bombay-Exkrementen kommt unaufhaltsam näher. Locher versucht sich zu wehren, spreizt seinen Körper gegen die Kraft des Armes, der unerbittlich die Nase in Richtung Dreckhaufen drängt. Locher wimmert, fleht tatsächlich laut und betet leise, das möge doch jetzt bitte nicht wirklich geschehen. Da presst sich stinkende Masse in seine Nasenlöcher. Für einen Moment scheint er in dem Hundekotöl zu ersticken, ehe die stemmende Kraft von oben nachlässt. Locher schießt sofort zurück, schnaubt prustend den Dreck aus den Nüstern. Vermaledeit, es stinkt, es schmerzt. Die Vorstellung und die Tatsache, dass Fäkalien in seine Mundpartie gelangt sind, lassen ihn heftig würgen. Keiner sagt ein Wort, diese Abartigkeit geht selbst den »Locher-Gegnern« zu weit. Hierfür kann sich keiner aussprechen. So lange nicht, bis Panzer als Erstes belustigt losbricht und auffordernd in die Runde blickt. Immer noch herrscht geschockte Stimmung ob solcher Entehrung. Keiner willigt in seine Lachsalven ein. Prompt knallt er Öner Cicek mit der flachen Hand auf den Rücken, und es kracht, dass man denken könnte, das Fabrikdach wäre eingestürzt. Schon poltern alle wieder los, man soll sich ja nicht gegen Panzer stellen. Der kleine Türke rappelt sich gequält auf. Er geht davon aus, dass seine Schulter ausgekugelt ist. Seine Mundwinkel zeigen nach oben.
    »Der sieht aus wie ein Clown – aber wie ein Scheißclown. Wie der dumme August«, amüsiert sich Panzer.
    Und Tränen füllen die Brille langsam wie ein Aquarium.
    Plötzlich tritt Panzer wieder aus dem Pulk auf Locher zu und will ihm mit einer Klopapierrolle, die er von irgendeinem zugesteckt bekommen haben muss, die Nase putzen. Ehe die Rolle seine Nase berührt, spuckt ihm Locher ins Gesicht.
    Dann trifft das Damoklesschwert.
    Locher liegt am Boden. Seine Nase blutet heftig und pulsiert schmerzhaft. Die Brille ist entzweit. Der Kopf pocht und alles dreht sich. Von ganz weit her vernimmt er immer wieder die aufgebrachten Worte: »Nicht mit mir, Locher. So nicht!«, bis ihn ein »Was ist hier los?« in die Wirklichkeit zurückholt. Hans Berger, Abteilungschef, bahnt sich den Weg durch die Schaulustigen.
    »Locher schon wieder, oder?« Genervt bleibt Hans Berger vor Locher stehen. »Was ist hier los?«
    Panzer mandelt sich als Erster auf, deutet auf die versauten Bestiarien:
    »Der beschmiert unsere Produkte mit Mist, Berger. Der verschandelt die Ware. Hat Öl drübergekippt, der Trottel. Der ist eine Schande für unsere Firma, Berger. Der spinnt!« Die Beschuldigungen krachen durch die Halle.
    »Stimmt das, Locher? Hast du unsere Ware verunreinigt?«
    »Nein.« Unsicher kommt die Antwort.
    »Hast du Panzer geschlagen? Hast du Panzer bespuckt?« Selbst der Abteilungsleiter nennt den Staplerfahrer nur bei seinem Kosenamen. Aus Ehrfurcht.
    »Nein«, zittert Locher. Die Meute tobt und zetert: Doch! Er habe ihm gegen den Arm geschlagen, ihn sogar angespuckt, hat Öl verschüttet, und Scheiße hat er auch am Bein und überhaupt, er hätte angefangen. So ist der Grundtenor des Pulks, der sich gegen Locher verschwört.
    »Stimmt das, Locher? Hast du Panzer angegriffen?«, bohrt Berger weiter. Was für ein lächerlicher Vorwurf.
    Verbittert und durch den kehligen Zorn unfähig zu sprechen, schüttelt Locher nur den Kopf. Franz Groß,

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