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Grolar (German Edition)

Grolar (German Edition)

Titel: Grolar (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thorsten Nesch
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drinnen.
    »Weißt du, ob hier irgendwo noch eine Pistole ist?«, fragte sie deshalb.
    »Nein«, sie überlegte, »Aber das Notfallkit ist in der Abstellkammer im Flur. Das habe ich gesehen. Da müsste eine Signalpistole drin sein«, und weil sie in die Richtung schaute, fiel ihr noch etwas anderes ein, »hör mal, ich bin nochmal hinten, im Schlafzimmer, okay?«
    »Sicher? Willst du wirklich ...«
    »Wäre doch eine Schande, wenn wir von dem Gold nichts abbekommen würden, wenn es hart auf hart kommt.«
    Die letzten Worte sagte sie im Flur. Hart auf hart.
   
Klack-Klack-Klack.

    Die Bewegung der Kugeln faszinierte Cliff. Er konnte lange Zeit vor solchen Dingen verweilen, fast schon zu lange. Sie machte sich deswegen häufiger sorgen, ob das wohl normal war. Aber er war ein glückliches Kind, und niemand wies sie darauf hin, nicht ihre Eltern, nicht ihre beiden Freundinnen, die sie seit der Highschool kannte, und die seit einigen Jahren in einem neuen Vorort von Vancouver in modernen großen Häusern wohnten und ihre Zeit auf Facebook, Blogs über Innenarchitektur und mit ihren Hunden verbrachten.
    Sie hatten Männer geheiratet, die viel Geld in ihren Büros verdienen, und beide hatten jeweils eine Tochter und einen Sohn im ähnlichen Alter und sogar Hunde der gleichen Rasse, amerikanische Bulldoggen. Sie trafen sich zum Grillen und unternahmen gemeinsame Trips ins Grüne, in die Rockies, nach Banff – und sie und Cliff und Jon saßen hier.
    Kellys Stimme weckte sie aus ihrem Tagtraum, »Andy? Bist du das?«
    Tara brauchte sich nur leicht vorzubeugen, um Andy auf dem Radlader zu sehen. Mit einem Bein stand er in der Kabine, mit dem anderen auf der Leiter daneben, die Schaufel senkte sich, und die Erde fiel in den Rüttler. Es wurde noch lauter.
    Kelly rief, »Andy, wenn du das bist, dann hör das auf, das ist nicht witzig!«
    Tara lief ein Schauer den Rücken runter. Sie wollte rufen, brachte aber keinen Ton heraus, ihr Hals war wie zugeschnürt. Sie unterdrückte ein Schluchzen, und Cliff schaute sie an mit seinen runden Augen.
   
Klack-Klack-...

    Mit einem Satz war sie bei ihm, stoppte die Kugeln, packte ihn unter dem Arm und machte, »Psst!«
    Dann rannte sie in den Flur, wo sie Kelly im Türrahmen des Schlafzimmers stehen sah, sinnlos mit beiden Händen den Türrahmen haltend.
    Tara ging geduckt, warum musste sie auch nicht. Sie flüsterte, »Andy steht auf dem Radlader.«
    »Was?«
    »Psst! Andy ist das nicht, er ist beim Rüttler. Was ist?«
    Kelly sank in sich zusammen, ihr Gesicht zu einer Fratze verzerrt.
    »Was ist? Wa...?«, und jetzt hörte auch Tara das dumpfe Donnern an der Außenwand des Wohnwagens, als würde jemand mit einer Stahlkette über die Lamellen der Außenverkleidung streichen.
    Sie hätte am liebsten losgeschrien, stattdessen legte sie den Zeigefinger vor die Lippen und wies Cliff und Kelly an, still zu sein.
    »Ist ein Spiel«, flüsterte sie ihrem Sohn zu, der sie verunglückt anlächelte, als wollte er das selbst gerne glauben. Sie hoffte, er würde die Tränen in ihren Augen nicht sehen. Noch verschwamm die Welt nicht gänzlich.
    Kelly sagte, »Ich rufe Andy.«
    »Nein!«
    »Warum?«
    »Weil der Bär dann erst recht auf uns aufmerksam wird! Hast du was gesehen? Den Bären?«
    »Nein, nur gehört, dieses Kratzen.«
    Sie sprachen so leise, wie noch nie zuvor in ihrem Leben, »Wo war die Signalpistole?«
    Kelly zeigte zur Tür hinter sich, »Da drin.«
    »Hol sie.«
    »Meinst du, die Bärin hört die Tür?«
    »Was sollen wir sonst tun? Sei leise.«
    »Behalte das Fenster im Auge. Falls sie wieder vorbeikommt, uns sieht.«
    Kelly kniete sich vor die Tür. Wie eine Einbrecherin, so vorsichtig drückte sie die Klinke nach unten. Ohne Quietschen zog sie die Türe auf, und ein Besenstil sauste nieder. Beide erschreckten sich, aber Tara bremste den Besen vor seinem Aufprall auf dem PVC-Boden mit ihrem ausgestreckten Beinen. Sie unterdrückte den Schrei, den der Schmerz auf ihrem Schienbein auslöste.
    Kelly blähte erleichtert die Wangen auf.
    »Los, los«, feuerte Tara sie leise an und legte den Besenstil auf den Boden. Wieder scharrte etwas an der Wand entlang, diesmal dort, wo die Abstellkammer zur Außenwand abschloss. Ein Schatten fiel auf Kellys Gesicht, deren Mund sich darauf

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