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Grosse Geschichten vom kleinen Volk - Ba

Grosse Geschichten vom kleinen Volk - Ba

Titel: Grosse Geschichten vom kleinen Volk - Ba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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Anblick der kahlen Fläche war nach dieser ereignisreichen Nacht beinahe zu viel für Haru. Bedröppelt stocherte er mit dem Stab in der Erde herum und wusste keine Erklärung. Träumte er denn mit offenen Augen? In was war er da nur hineingeraten?
    So fand ihn Tirza wenig später, und sie schien deswegen ebenso verwirrt zu sein wie er. »Jemand hat das Hünengrab abgerissen!« Sie äugte hinüber zu Haru, als verdächtige sie ihn. »Ist das ein Scherz von euch Broichhusern?«
    Er lachte nur trocken auf. »Es müssten sich schon beide Dörfer zusammentun, um solche Felsklötze zu bewegen.«
    Und eine derartige Zusammenarbeit, da waren sie einig, war ein Ding der Unmöglichkeit.
    Trotzdem folgten die beiden gemeinsam weiter dem Biest, jeder auf seine Weise erschüttert. Tirza machte im Bewuchs eine Reihe älterer Spuren aus, die Haru zum Großteil ›zertrampelt‹ hatte, wie sie es nannte. Die Fährten liefen in dieselbe Richtung wie die frische Fährte des Ungeheuers, das Skaggi entführt hatte. Sorgfältig schlängelte sich die Fußspur an jedem Pfuhl vorbei, als sei der Verursacher wasserscheu.
    Im Westen erhoben sich bereits die ersten Ausläufer der Formation, der die Steinige Heide ihren Namen verdankte. Klobige Felssäulen überzogen zwei Hügel und das dazwischenliegende Tal wie ein Strom aus Stein. Beim Gedanken daran liefen Haru ehrfürchtige Schauer über den Rücken.
    Die Menhire standen schon so lange dort, dass einige fast komplett im moosigen Grund eingesunken waren. Haru hatte keine Ahnung, wozu die Anlage einst gedient hatte. Für einen Wall standen die Felsen zu weit auseinander, ein Pferch wäre rund. Sicher eine Narretei der Riesen, die damit den Sonnenstand maßen und ihre Feiertage festlegten.
    Die Lerchenstunde war noch nicht angebrochen, da änderte sich der Bewuchs, und das Erdreich wurde feuchter. Immer häufiger wechselten Binsen das Heidekraut ab. Die zwei Wanderer wateten durch ein Meer gelber Sumpfdotterblüten. Statt einsiedlerischer Eichen lehnten krumme Weiden gesellig aneinander wie Betrunkene. Tiefe Äste schlängelten sich über den Boden. Weidengerten schwankten gespenstisch im frühmorgendlichen Wind, der den Nebel über die Heide trieb.
    Plötzlich stießen sie auf einen Trampelpfad. Tirza lief mit gesenktem Kopf wie ein Hund auf der Fährte einige Schritte in beide Richtungen und verkündete dann: »Er ist hier abgebogen.«
    Ausgerechnet in den Sumpf. Tausend nasse Verstecke, aber keine Deckung. Haru verabscheute die morastigen Stellen, die in der ganzen Gegend die Oberfläche trügerisch machten. An Sumpflöcher hatte er schon manches Lamm verloren. »Da gibt es doch nichts«, protestierte er lahm. »Nur Matsch.«
    Tirza zuckte die Achseln. »Wir sollten froh sein, dass er es uns so leicht macht. Im schweren Sumpfboden kann jeder Anfänger eine Spur finden.«
    Bald flankierten zwei verkrautete Entwässerungsgräben voll öliger Schlieren und Entengrütze den Pfad. Zu Harus Leidwesen blieb der Verfolgte der eingeschlagenen Richtung treu. Die Stapfen seiner Füße hatten sich mit Wasser gefüllt. Immer noch gesetzt den Fall, die Reblinger steckten hinter dem Schabernack – wo hatten sie den Unhold aufgetrieben?
    Schließlich mündete der Pfad in einen Knüppeldamm, der sich an binsenbewachsenen Erdbuckeln vorbeischlängelte, die wie gewaltige Schildkrötenpanzer aus dem Morast aufragten.
    Zu dieser Tageszeit glich das Moor einer mit Dampf gefüllten Waschküche voller unheimlicher Schemen. Haru schluckte. »Wir sollten besser vorsichtig sein.« Aber Tirza bewegte sich sicher auf dem aufgeschütteten Damm, und so blieb ihm wenig übrig, als mit ihr gleichzuziehen.
    »Ich hab versprochen, zur Sonnenstunde zurück in Reblingen zu sein«, meinte sie nur. »Aber bis dahin kundschafte ich weiter. Diese Spuren bleiben nicht ewig lesbar.«
    Die Müdigkeit setzte Haru mittlerweile ganz schön zu, und nur das Pflichtgefühl trieb ihn weiter. Verkrüppelte Birken winkten ihm aus den Augenwinkeln zu wie übermütige Luftgeister. Im Morgenlicht stiegen Streifen von weißem Dunst aus dem Boden wie die Atemfahnen von Drachen.
    Sie jagten ein Monstrum. Zu zweit. Das war blanker Wahnsinn. Haru seufzte. In den Nebelwolken über dem Damm konnte er nicht einmal genau sehen, wohin er die Füße setzte. Alles in ihm sträubte sich bei dem Gedanken weiterzugehen. Die Angst, die Haru als Kind beim Hünengrab verspürt hatte, holte ihn gnadenlos ein. Neben ihm franste der Rand des Damms aus, als hätte

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