Grosseinsatz Morgenröte
auf.
Ich drehte nicht eher den Kopf, bis ich das Geräusch von Stiefelabsätzen und Worte in der neuchinesischen Allgemein- und Pflichtsprache hörte.
Anscheinend überrascht, erhob ich mich aus meinem Liegestuhl und stand einem Chinesen in der Uniform eines Marschalls der Taktischen Raumwaffe gegenüber. Er trug zahlreiche Ordensspangen. Der flammende Stern über der Weltkugel zeigte mir, daß ich den Oberbefehlshaber vor mir hatte. Ich kannte ihn aus dem Unterricht, wo ich ihn dreidimensional und in Lebensgröße auf dem Bildschirm studiert hatte. Es war Raum-Marschall Lung-Yen, der grüßend mit dem Kometenstab an die Schirmmütze tippte.
»Bleiben Sie doch liegen, Doktor«, erklärte der kleine, zierliche Mann mit überraschend tiefer Stimme. »Wir möchten Sie nicht in Ihrer verdienten Ruhe stören.«
Er stellte sich vor und reichte uns die Hand. Den zweiten Mann kannte ich ebenfalls gut, da er der persönliche Assistent des Geheimdienstchefs war.
Er war ein hochgewachsener, hagerer Südchinese aus Kanton. Sein Gesicht mit etwas verengten Augen paßte recht gut zu dem stellvertretenden Geheimdienstchef eines diktatorisch regierten Riesenlandes. Er hieß Schui-Tung.
Mit harter Stimme erklärte er:
»Ich vertrete den Chef, Doktor. Wenn Sie erlauben, werde ich von nun an Ihr Betreuer sein.«
Die wenigen Worte hallten in mir nach und versetzten mich in Alarmstimmung. Vom ersten Augenblick an mochte ich den Mann nicht. Es war in den Staaten bekannt, daß jeder, der einmal in seine Hände fiel, rettungslos verloren war. Er besaß eine hohe Intelligenz und durfte deshalb nicht unterschätzt werden.
Der dritte Mann ließ mir das Lächeln auf dem Gesicht erstarren. Es war ein kleiner; korpulenter Herr mit Kahlkopf und Spitzbart. Wer hätte nicht Professor Vincent Erolter gekannt, der vor fast vier Jahren aus England geflohen war? Für uns war er ein engbeschriebenes Blatt.
Ehe ihn die englische Polizei wegen erwiesener Spionage verhaften konnte, war er auf rätselhafte Weise verschwunden. Wir wußten längst, daß er in Asien eine führende Position erhalten hatte, da er zweifellos ein Könner war.
Ich überlegte blitzschnell und kam zu der Ansicht, daß es nicht gut sein konnte, wenn ich mich unwissend stellte. Jeder Wissenschaftler der westlichen Welt hatte von dem Fall gehört.
Der Marschall wollte ihn vorstellen, als ich schon zögernd sagte:
»Nanu – sind – sind Sie nicht Professor Erolter? Ich habe Ihr Bild so oft gesehen, daß ich kaum im Zweifel bin.«
Er lachte laut und fröhlich. Es war nichts Falsches in den Tönen.
»Bin ich, Kollege Hofart, bin ich«, entgegnete er. »Es hätte mich gewundert, wenn Sie mich nicht sofort erkannt hätten. Nun – ich kann Ihnen zu Ihrer Beruhigung mitteilen, daß Sie einen noch viel heftigeren Sturm im Blätterwald der Presse entfacht haben. Fragen Sie einmal Schui-Tung. Es fehlte nicht viel, und die empörte Bevölkerung hätte das Verteidigungsministerium in Washington gestürmt. Die Armee mußte eingreifen, als Ihre Flucht bekannt wurde. Immerhin – nehmen Sie meinen Glückwunsch entgegen. Ich kann mir vorstellen, daß es nicht einfach war. Und Sie, Captain, wieder in Ordnung? Was macht das Bein? Ich brauche Sie dringend.«
»Bitte, Professor«, unterbrach der Südchinese den Redestrom.
Erolter zuckte bei den scharfen Worten zusammen. Er hatte etwas zu viel gesagt.
Die Männer nahmen Platz. Ich mußte mich wieder in den Stuhl legen. Der Marschall gab sich loyal, während Professor Erolter zu fiebern schien. Das war die einzige Tatsache, die ich verstehen und verzeihen konnte. Er war durch und durch Physiker, also mußte ihn das Geheimnis des Plasmareaktors brennend
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