Grosseinsatz Morgenröte
interessieren.
»Ja, lieber Doktor, ich bin mit der bösen Absicht gekommen, Sie aus Ihrer verdienten Ruhe zu reißen«, sagte er lächelnd, doch der ernste und fordernde Unterton eines befehlsgewohnten Mannes war nicht zu überhören.
»Sir, das erste vernünftige Wort seit meinem Einflug in China«, entgegnete ich. »Ich werde hier verrückt. Wann geht’s los?«
Sogar Schui-Tung verzog das Gesicht zu einem beifälligen Grinsen. Hannibal dagegen brauchte seine Freude nicht zu heucheln. Er strahlte wirklich – nur in einem anderen Sinn. Die vier Tage, nur ausgefüllt mit Warten und zur Untätigkeit gezwungen, hatten ihm überhaupt nicht gefallen.
Dann kam der Augenblick, der uns um Haaresbreite vor ein Exekutionskommando gebracht hätte. Ich beginne heute noch zu schwitzen, wenn ich nur daran denke!
Unser Retter kam wirklich im allerletzten Moment, denn der Marschall hatte die Frage schon auf der Zunge.
Beinahe unbemerkt war ein junger Arzt eingetreten. Er trug die sterile Kunststoffkombination. Seine dunklen Augen hinter der Hornbrille blickten ernst und freundlich. Dicht hinter ihm folgte die Schwester mit dem Instrumentenwagen.
Der Marschall sah auf und erhob sich. Er war sehr höflich, da er auch jetzt noch die englische Sprache benutzte.
»Ja, Doktor?«
»Ich bitte vielmals um Verzeihung«, sagte der Mediziner und verbeugte sich leicht. »Ich bitte, mein Eindringen mit meiner Pflicht als Arzt zu entschuldigen. Die Patienten sollen um diese Uhrzeit das Nervenserum zur Beseitigung der letzten Schocksymptome erhalten.«
»Aber selbstverständlich, Doktor«, betonte der Offizier. Der Südchinese erhob keinen Einwand.
»Natürlich mußten Sie in dem Fall stören. Dr. Hofart, Sie erlauben, daß wir für die Dauer der Behandlung auf der Terrasse bleiben?«
Natürlich bejahte ich in der höflichen Form, die schon zur Gewohnheit worden war. Herzlichkeit hätte ich dankbar ausgekostet. Ihr Benehmen aber war falsch, grundverdorben und geschäftsmäßig zweckbedingt. Bis jetzt schien ich ja wunderbar zu parieren, also lag kein Grund vor, von der liebenswürdigen Behandlung abzuweichen. Sie waren gute Psychologen, die Freunde von drüben.
Wir folgten dem Arzt ins Zimmer und legten uns auf die Betten. Die Tropfflaschen hingen schon in den Gestellen. Der Kleine bekam die Nadel zuerst in die Vene.
»Es dauert nur fünf Minuten«, lächelte die Schwester freundlich. »Möchten Sie etwas Frischluft, Sir?«
Der Arzt setzte sich auf meine Bettkante und hantierte mit der Nadel. Mir entging nicht die Spannung in seinem Gesicht. Beinahe zwingend sah er mich an und deutete mit den Augen auf seine Hand. Die Lippen formten ein unhörbares Wort. Mir begann das Herz bis zum Halse zu schlagen.
Meine Blicke saugten sich an der Hand fest. Sie öffnete sich plötzlich, und im Handteller tauchte ein mit der Maschine beschriebener Zettel auf. Er mußte den dünnen Kunststoff irgendwie an der Haut festgeklebt haben.
Ich begriff sofort. Seine Hand kam näher. Er band die Vene ab und war dabei so geschickt, daß ich bequem lesen konnte.
»Nachricht von Leutnant TS-19. Befindet sich in Tschungking. Nachrichten empfangen. Auf Warteposition. Achtung, größte Vorsicht! Letzter Überlebender der ALPHA im Fieber gestanden, daß Schiff auf Mars landete. Informationen über dortige Anlagen nicht erfolgt. Filmmaterial von Kommandant noch vernichtet. Hundertprozentig. Aufpassen.«
Das war alles, was ich in fliegender Eile lesen konnte. Nachdem ich dem Mediziner unmerklich zugenickt hatte, schloß er die Hand. Das war also auch ein Verbindungsmann der GWA. Unschätzbar, wie wertvoll seine Dienste in einer bedeutenden
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