Grosseinsatz Morgenröte
hoffnungslosen Blick zu, den er keinesfalls mißverstehen konnte.
Professor Erolter nickte.
»Ich habe es Ihnen doch gesagt«, polterte er. »Es wäre vernünftiger, das Triebwerk von Grund auf neu zu erschaffen. Wir verlieren Monate, wenn wir uns auf einen Probelauf mit diesen Trümmerstücken konzentrieren. Ist es nicht so, Kollege?«
»So leid es mir tut, ich muß Ihnen beipflichten, Professor«, sagte ich unter dem Gemurmel der vielen Wissenschaftler und Techniker, die gespannt unseren Worten lauschten. Wir schienen hier überhaupt die einzigen Leute zu sein, die offen sprechen durften.
»Der Marschall hat seine Befehle, meine Herren«, fuhr der Südchinese auf. Natürlich hielt sich der stellvertretende Chef des hiesigen Geheimdienstes in unserer unmittelbaren Nähe auf. Wie hätte es auch anders sein können.
Da der Marschall noch immer kein Wort sagte, warf ich laut ein:
»Aber, Sir, Sie müssen doch einsehen, daß wir hier vor einem tonnenschweren Trümmerhaufen stehen. Was wollen Sie damit noch anfangen? Wenn Sie mir alle mathematischen Abteilungen mit elektronischen Rechenmaschinen und genügend Fachkräfte zur Verfügung stellen, können wir vielleicht in einem halben Jahr mit dem Neubau beginnen. Techniker-Teams können Tag und Nacht arbeiten, um die genauen Abmessungen der einzelnen Teile zu ermitteln. Wenn ich außerdem noch Unterlagen über Materialuntersuchungen bekomme, können die Konstruktionszeichnungen nach sechs bis sieben Monaten in die Herstellerwerke gehen. Wie sieht denn überhaupt die Reaktionskammer aus? Der Folienreaktor?«
Er starrte mich verbissen an. Die Umstehenden hielten den Atem an. Der allmächtige GD-Mann war eine solche Sprache nicht gewöhnt. Drängend fuhr ich fort:
»Sir, Sie sollten darauf bedacht sein, so schnell wie möglich zum Ziel zu kommen. Wenn Ihnen befohlen worden ist, diese Trümmer zu reparieren, um daraus ein betriebsbereites Aggregat zu machen, so ist das blanker Unsinn. Sie wollen wohl in die Luft fliegen? Peking irrt sich gewaltig, wenn so einfach befohlen wird …«
»Schweigen Sie«, fuhr er mich an. Seine Hand griff an die Pistolentasche. Erschreckt wichen die Leute zurück.
»In Peking irrt man sich niemals, haben Sie das verstanden!« schrie er außer sich. Mein spöttisches Grinsen schien ihn um seine Beherrschung zu bringen.
»Sie spinnen aber auch dreidimensional im Großformat«, stellte der Zwerg fest.
Die Wissenschaftler machten den Eindruck, als ständen sie kurz vor einem Schlaganfall. Das Benehmen des Kleinen war für sie ungeheuerlich.
Der GD-Chef blickte Hannibal so sprachlos an, als wären die Worte nicht bis zu seinem Ohr gedrungen. Zu meiner größten Erleichterung stellte ich fest, daß der Raum-Marschall nur mit größter Mühe seine Heiterkeit unterdrückte. In diesem Augenblick wurde mir klar, daß die alte Rivalität zwischen Militär und Geheimdienstler auch hier vorherrschte. Das mußte ausgenutzt werden.
»Genau meine Meinung«, sagte ich scharf. »Wir sind nicht Ihnen, sondern Marschall Lung-Yen unterstellt. Kümmern Sie sich besser darum, daß hier keine Spione und Saboteure eindringen, und lassen Sie Ihre Finger von Dingen, die Sie nicht verstehen. Peking irrt sich doch – und wenn Sie sich auf den Kopf stellen! Es ist und bliebe Wahnsinn, diesen Schrotthaufen zu reparieren. Das muß völlig neu gebaut werden.«
Der hochgewachsene Chinese errötete vor Zorn. Seine flammenden Augen richteten sich auf den Marschall, als der einige scharf betonte Sätze sagte. Ich verstand jedes Wort der neuchinesischen Einheitssprache. Es war garantiert nicht die erste Auseinandersetzung zwischen den beiden
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