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Großer-Tiger und Christian

Großer-Tiger und Christian

Titel: Großer-Tiger und Christian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frritz Mühlenweg
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am nächsten Abend überlegte er jeden Satz, den er schrieb.
     Als er fertig war, stand da: »Heute ist der zwölfte Tag des dritten Monds, und wir sind in Hami. Mehr als zweihundert Kilometer
     sind wir auf der Seidenstraße durch die Wüste gefahren, und wenn es Kao-Scheng unterwegs nicht schlecht geworden wäre, hätten
     wir eine Stunde weniger gebraucht. Zum Glück geschah es hinter dem Dorf Huan-Lu-Kang, und niemand hat es gesehen. Kao-Scheng
     sagte, das wäre wegen der vielen Telegrafenstangen passiert, und davon würde dem Menschenschwindelig. Er hätte aber gar nicht hinschauen brauchen, denn niemand hat ihm angeschafft, sie zu zählen.
    Als wir frühmorgens fortfuhren, haben wir uns von Onkel Ohnezehen verabschiedet. Er war ganz gerührt, und er sagte: ›Söhnchen,
     in vier Jahren seid ihr erwachsen, und dann müsst ihr mich besuchen, wenn dann die Welt noch steht.‹ Da haben wir ihm versprochen,
     zu kommen, und er soll Kasim und Ungemach grüßen, und ihm ausrichten, dass wir in Peking einen Platz suchen, wo wir Steinewerfen
     üben, damit wir es bis zum Wiedersehen können. Denn es ist eine nützliche Kunst. Der Telegrafenmeister war auch da, und dann
     fuhren wir fort, und er rannte in sein Haus, wo der Draht hineingeht.
    Ich glaube, er hat einen Blitzbrief losgelassen, denn als wir durch das Stadttor von Hami kamen, musste Glück langsam fahren,
     weil eine solche Menschenmenge da war und außerdem Soldaten mit Trommeln und Trompeten. Sie haben geblasen und getrommelt,
     und Kao-Scheng hat gesagt, das sei wegen ihm. Nachher mussten wir in den Yamen fahren, wo ein General war und die Hand an
     die Mütze legte. Er heißt Liu, und er ist mager. Vielleicht geht es ihm nicht gut. Großer-Tiger sagte, das käme vom Opiumrauchen,
     und es sei eine Schande. Wir tranken Tee mit ihm, aber indem es bloß wegen der Höflichkeit ist, trinkt man keinen oder höchstens
     einen Schluck, bevor man aufsteht. Großer-Tiger und ich zeigten dem General, dass wir wissen, was sich gehört, und als er
     uns zum Teetrinken nötigen wollte, reichten wir die Tassen zurück, damit er sieht, wie unwürdig wir sind. Dreimal haben wir
     die Tassen zurückgereicht, und dann war der Besuch zu Ende, und der Herr General war zufrieden mit uns. Hami ist eine prächtige
     Stadt. Bisher war überall Wüste, und jetzt ist auf einmal ein Melonengarten am andern, und es gibt Bäume und Straßen, in denen
     viele Geschäfte sind. Weit weg im Norden sind hohe Schneeberge, und weil man im Hami fast bloß türkisch spricht, heißen sie
     Karlyk-Tag oder Emir-Tag, und ein turmhohes Schloss gibt es auch. Es gehört dem mohammedanischen König. Kaum, dass wir da
     waren, hat er uns eine rote Besuchskarte geschickt, und es ist eine hohe Ehre. Die Karte war aber chinesisch geschrieben,damit wir sie lesen konnten. Der König heißt: Ching-Wang-Ye-Schah-Maksut. Das ist ein langer Name, und wir wollen ihn besuchen.
     Glück sagte gleich, er geht nicht mit, sondern er besucht lieber Li-Yüan-Pei, weil er ihn lange nicht gesehen hat, und ein
     Verlangen und eine Sehnsucht treibt ihn zu ihm. Bevor er ging, nahmen wir ihm seine Pistole weg. Zuerst wollte er sie nicht
     hergeben. Er tat schrecklich zornig, aber nachher sagte er: ›Bloß weil ihr es so haben wollt‹, und dann ging er fort. Wir
     hatten aber kaum zehn Mohnkuchen gegessen, kandierte Äpfel, Datteln mit Nugat, eine Menge Salzmandeln, Bonbons und solche
     Sachen, die uns der magere General schickte, als Glück wiederkam. Er sagte: ›Dieser Hundesohn ist auch geflohen, und sein
     Laden ist versiegelt.‹ Da waren wir sehr froh, und weil noch zwei Stunden bis zum Sonnenuntergang blieben, besuchten wir den
     König mit dem langen Namen. Er wohnt draußen vor dem Stadttor, wo lauter Rechtgläubige wohnen, und sein Schloss ist so hoch,
     dass man nicht begreift, wie man so etwas aus Lehm bauen kann. Man geht durch ein Tor in das Schloss. Es war finster darin,
     und zwei Männer standen da mit großen grauen Bärten. Sie hatten Hellebarden in der Hand, als ob es keine Gewehre gäbe. Unser
     Lehrer in Peking sagt, man nenne es das Mittelalter, und es sei vorbei, aber in Hami ist es noch. Weil wir keine Visitenkarten
     hatten, konnten wir auch keine hergeben, aber gleich kam einer, der freundlich zu uns war. Er sprach türkisch und er ging
     voraus in den Hof der Burg. Ganz weit oben war der Abendhimmel, und ganz unten waren wir in einer engen Gasse. An einer Mauer
     war nichts als Wand, aber an

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