Großer-Tiger und Christian
herunter!«, rief Glück, »die Hunde tun euch nichts.«
»Wenn aber doch?«, fragte Großer-Tiger zweifelnd.
»Wir haben keinen Daschior«, sagte Christian.
»Hammaguä!«, rief der Mongole, der das Wort Daschior verstanden hatte; »es ist keine Befürchtung vorhanden.«
Er jagte die Hunde fort, die sich in einiger Entfernung niederlegten und die fremden Besucher nicht aus den Augen ließen.
»Fühlst du dich leicht und gut?«, grüßte Glück freundlich.
»Ich befinde mich leicht und gut«, antwortete der junge Mann; »und du, hast du eine leichte und gute Reise gehabt?«
Nach dieser Einleitung griff Glück in die Tasche und brachte eine gewöhnliche Schnupftabakflasche zum Vorschein, die nur durch
den in Silber gefassten Stöpsel ein wenig hübscher schien, als sie war. Der Mongole nahm aus seinem Gürtel auch eine Schnupfflasche,
aber sie war ganz aus Silber getrieben, und der Stöpsel mit der dünnen Holzschaufel daran war oben mit einer Koralle verziert.
Glück und der Mongole stellten sich in den richtigen Abstand; sie verneigten sich wie zwei Würdenträger voreinander und boten
sich gegenseitig die Schnupfflaschen mit ausgestreckten Fäusten. Dann öffnete jeder die rechte Hand, und die Schnupfflaschen
wechselten den Besitzer. Aber keiner nahm eine Prise, wie Christian dachte. Jeder roch nur an der fremden Flasche und gab
sie feierlich zurück. Dabei murmelten sie einen Segenswunsch oder eine geheime Formel, und nachher lächelten sie sich an wie
Freunde. Glück und der Mongole steckten ihre Schnupfflaschen wieder ein, und Großer-Tiger flüsterte Christian zu: »Jetzt haben
sie Freundschaft geschlossen«.
»Wie mit Mondschein nach der Wolfsjagd«, sagte Christian leise.
»Los«, rief Glück, »jetzt kommt Kompass-Berg dran! Ich leihe dir meine Schnupfflasche.«
Christian nahm sie, und weil ihm einfiel, was er am Abend vorher in Sertschis Zelt gelernt hatte, sagte er geschwind: »Sitzest
du leicht und gut?«
»Gut«, erwiderte der Mongole; »hast du eine leichte und gute Reise gehabt?«
»Gut«, versicherte Christian; aber dann wusste er nicht mehr weiter und blickte hilfesuchend auf Glück, der neben ihm standund sich über den gelehrigen Schüler freute. Er zeigte Christian bereitwillig, wie man die Schnupfflasche in die Hand nehmen
musste, und sprach ihm vor: »Befindet sich dein Körper wohl? Ist dein ganzer Viehstand wohlauf?«
Während Christian die Worte nachsprach, tauschte der Mongole mit ihm die Schnupfflasche. Christian führte sie an die Nase,
und als er sie zurückgegeben und die von Glück wieder erhalten hatte, war die Begrüßung zu Ende.
Nach ihm kam Großer-Tiger an die Reihe, und dann sagte Glück zufrieden: »Jetzt könnt ihr euch einigermaßen benehmen, wie es
sich gehört. Wer diesen Gruß mit einem Mongolen gewechselt hat, ist seiner Freundschaft sicher.«
»Und Grünmantel?«, fragte Christian.
»Er glaubt«, antwortete Glück, »er sei zu vornehm, um mongolische Bräuche zu achten.«
»Ist das nicht unhöflich?«, fragte Großer-Tiger.
»Es ist sogar dumm«, erwiderte Glück; aber er sagte es leise, denn Grünmantel kam gerade herbei und fragte, ob es keinen Tee
gebe oder was zu essen; er habe Hunger.
»Ich will mal sehen«, sagte Glück, lehnte den Daschior gegen die Filzwand der Jurte und trat ein. Christian und Großer-Tiger
folgten ihm, und Grünmantel stapfte hinterdrein. Der junge Mongole ging als letzter. »Ich bin ein Hirte«, sagte er zu Glück,
»darum kann ich euch leider nur ein Stück Fleisch anbieten. Meine Brüder und zwei andere von unserm Klan hüten die Pferde
und die Kamele des reichen Pandiriktschi, dem diese beiden Jurten gehören.«
»Pandiriktschi?«, fragte Grünmantel und zog die Brauen zusammen.
»Warte zwei Augenblicke«, antwortete Glück unwillig. Alle setzten sich in die Jurte, wo braune Filze aus Ziegenhaar und Kamelwolle
am Boden lagen. Statt Sitzkissen wie beim Sunit-Wang gab es Satteldecken.
»Ich heiße Dascha«, sagte der junge Mongole, »und ich denke, ich kenne den Herrn, der mich nicht gegrüßt hat.«
»Es ist der Kaufmann Grünmantel, und ich bitte dich um Entschuldigung für sein unhöfliches Betragen.«
»Hochmütiger Drache wird zu bereuen haben«, sagte Dascha, und er hob den Holzdeckel von dem eisernen Kochtopf, unter dem ein
schwaches Feuer brannte. »Ich habe für zwei Tage Fleisch gekocht; bitte greift zu.«
Er nahm eine Gabel und legte jedem ein großes Stück gekochtes
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