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Grüne Magie

Grüne Magie

Titel: Grüne Magie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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Frage lautet also: Wie soll man ein völlig fremdartiges Geschöpf behexen?« Hein Huss richtete den Blick auf Faide. »Wissen Sie eine Antwort darauf?«
    »Ich?« erwiderte Lord Faide überrascht. »Nein.«
    »Im Grunde genommen ähnelt die Methode dem Verhexen von Menschen. Es kommt darauf an, das betreffende Geschöpf durch und durch, bis auf die zellulare Ebene, davon zu überzeugen, daß es Qualen erleidet oder ihm der Tod droht. Und genau darin liegt das Problem. Denkt das Wesen? Anders ausgedrückt: Nimmt es alle Lebensvorgänge auf die gleiche Weise wahr wie Menschen? Dieser Punkt ist sehr wichtig. Es gibt Geschöpfe, die ihre Umwelt nicht mit Hilfe eines Nervensystems in unserem Sinne strukturieren und zu Erkenntnisprozessen verarbeiten. Für das menschliche System haben wir den Begriff ›Intelligenz‹ geprägt; das ist eine Bezeichnung, die allein für unser Handeln verwendet werden sollte. Andere Geschöpfe nutzen Systeme, die sich vom unsrigen unterscheiden, oftmals mit dem gleichen Resultat. Nun, um diese allgemeinen Bemerkungen auf einen praktischen Nenner zu bringen: Ich sehe mich außerstande dazu, mein Bewußtsein mit der beim Ersten Volk üblichen Entsprechung zu verschmelzen. Der Schlüssel, den ich vorhin einmal erwähnte, paßt gewissermaßen nicht ins Schloß. Zumindest nicht ganz. Einige Male, zum Beispiel bei Zusammenkünften aus Anlaß des Waldmarktes, hatte ich Gelegenheit, das Erste Volk zu beobachten, und dabei offenbarten sich mir diffuse Bedeutungseindrücke. Daraus läßt sich der Schluß ziehen, daß die Autochthonen zu einer geistigen Aktivität in der Lage sind, die man mit menschlichen telepathischen Impulsen vergleichen könnte. Trotzdem: Es gibt praktisch keine Gemeinsamkeiten zwischen ihnen und uns.
    Und genau darin besteht das Hauptproblem. Selbst wenn es mir gelänge, einen mentalen Kontakt herzustellen – was dann? Die Nichtmenschen sind anders als wir. Sie haben keine Worte für Konzepte wie Furcht, Haß, Wut, Schmerz, Mut, Feigheit. Ich nehme an, solche Gefühle sind ihnen unbekannt. Zweifellos haben sie dafür andere Gefühle, die eine ähnlich wichtige Rolle spielen. Doch worin auch immer die bestehen mögen: Ich kenne sie nicht, und deshalb kann ich sie weder nachempfinden noch Symbole für sie entwickeln.«
    Lord Faide rutschte unruhig hin und her. »Kurz gesagt: Sie teilen mir mit, daß Sie nicht in das Bewußtsein der Wilden eindringen können. Und wenn Ihnen das doch möglich wäre, hätten Sie nicht die Möglichkeit, so Einfluß zu nehmen, um etwas gegen sie auszurichten.«
    »Das ist im Prinzip richtig«, bestätigte Hein Huss.
    Lord Faide stand auf. »In dem Fall müssen Sie schleunigst dafür sorgen, daß jene Barrieren überwunden werden. Lernen Sie, eine telepathische Verbindung mit dem Ersten Volk herzustellen. Finden Sie heraus, auf welche Weise man Einfluß auf die verdammten Wilden ausüben kann. Und zwar so schnell wie möglich.«
    Hein Huss bedachte den Lord mit einem vorwurfsvollen Blick. »Und ich habe mir solche Mühe gegeben, Ihnen alles zu erklären! Das Behexen der Nichtmenschen ist eine gewaltige Aufgabe! Es wäre notwendig, in die Dichtwälder zu ziehen und beim Ersten Volk zu leben, in gewisser Weise zu einem Autochthonen zu werden – so wie mein Novize einmal versuchte, sich in einen Baum zu verwandeln. Und selbst dann halte ich es für unwahrscheinlich, daß entsprechende Bemühungen den gewünschten Erfolg hätten! Das Erste Volk müßte bestimmte menschliche Vorstellungen teilen, die konditionierenden Konzepte, die ich vorhin schon einmal nannte! Andernfalls gäbe es keine Grundlage für Verhexungen, und ich wäre sicher, daß alle unsere Bemühungen erfolglos bleiben. Kein anderer Unglücksbringer brächte den Mut auf, Ihnen das zu sagen und dadurch einen Verlust seines Mana zu riskieren. Ich wage es nur deshalb, weil ich Hein Huss und bereits alt bin.«
    »Dennoch sollten wir es mit allen Waffen versuchen, die uns zur Verfügung stehen«, erwiderte Lord Faide entschlossen. »Ich muß sicherstellen, daß keine weiteren Ritter, Soldaten und Verwandte im Kampf gegen das bleiche Gewürm ums Leben kommen. Was ist es doch für eine Schande, von giftigen Insekten umgebracht zu werden! Gehen Sie in den Dichtwald! Bringen Sie in Erfahrung, wie man das Erste Volk behexen kann!«
    Hein Huss erhob sich ebenfalls. Der Ausdruck seines großen runden Gesichts war steinern, und der Blick seiner sonst so kristallklaren Augen hatte sich getrübt. »Es

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