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Gruenkohl und Curry

Gruenkohl und Curry

Titel: Gruenkohl und Curry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hasnain Kazim
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entfernt.
    Oft war auch seine Frau Wilma mit an Bord, eine Frohnatur mit blonden Locken. Gelegentlich begleiteten sie ihre beiden erwachsenen Kinder Torsten und Karina. Innerhalb weniger Tage wurden aus den Franks Tante Wilma und Onkel Konrad.
    Die Kabine von Onkel Konrad war, seinem Rang an Bord entsprechend, deutlich größer als die meines Vaters. Wann immer meine Eltern es mir erlaubten, besuchte ich Tante Wilma und Onkel Konrad in der Kapitänskajüte. Ich klopfte an die Tür und fragte schüchtern: »Stör ich?«, woraufhin Tante Wilma herzlich lachte und mich aufforderte, hereinzukommen. Ich hockte mich aufs Sofa und guckte Tante Wilma bei ihrer Handarbeit zu. Sie strickte Pullover und Socken, häkelte, stickte Bilder und verzierte Tischdecken. Ich versuchte später, genau wie sie ein Bild zu sticken, scheiterte aber, weil es viel zu kompliziert für mich war. Tante Wilma vollendete es: ein Porträt von Pinocchio.
    Nach Kochs in Rastede und Truetschens in Hollern wurden Franks für uns mit der Zeit zu unserer dritten deutschen Familie. Wir luden uns gegenseitig zu Geburtstagsfeiern, zu Ostern und zu Weihnachten ein. Franks waren für meine Eltern da, wenn sie Hilfe brauchten.
    Auch ich beanspruchte ihre Hilfe: zum Beispiel, als ich Tante Wilma heulend erklärte, dass ich auch blonde Locken haben wollte wie mein Kindergartenfreund Christian und nicht blödes, schwarzes, glattes Haar.
    »Wer weiß, ob dein Freund Christian nicht lieber schwarzes, glattes Haar haben möchte?«, tröstete mich Tante Wilma. »Du kannst dich wirklich glücklich schätzen, dass du so schönes Haar hast. Guck dir Onkel Konrad an, der hat bald gar keine Haare mehr.«
    Später verbrachte ich regelmäßig meine Schulferien in Dornbusch. Onkel Konrad hatte seinen Beruf als Kapitän nach einem schweren Autounfall aufgeben müssen. Ein Betrunkener war ihm frontal in seinen Wagen gefahren. Danach verbrachte er Monate im Rollstuhl und später Jahre an Krücken. Als er wieder gehen konnte, widmete er sich seinem riesigen Garten, in dem er gemeinsam mit seiner Frau allerlei Obst und Gemüse anbaute.
    Ich durfte mithelfen.
    Es waren jedes Mal wunderbare Tage: Ich erntete zum ersten Mal in meinem Leben Kartoffeln, Karotten, Erbsen, Zucchini, Champignons, Salatköpfe, Erdbeeren, Himbeeren. Ich lernte, was ein Komposthaufen ist und wie bestimmte Abfälle sich mit der Zeit auf wundersame Weise in Erde verwandeln. Vor dem Haus stand, wie bei fast allen Seeleuten, ein Flaggenmast und Onkel Konrad hisste regelmäßig verschiedene Flaggen. Im Hausflur der Franks hing eine Holztafel mit Seemannsknoten, die ich bei jedem Besuch von Neuem bewunderte – Onkel Konrad hatte sie selbst gemacht.
    Urlaub in Australien oder in Afrika hätte für mich nicht spannender sein können als Ferien in Dornbusch. Ich fing mit einem Marmeladenglas Kaulquappen im Graben hinterm Haus, beobachtete sie ein paar Stunden und entließ sie dann wieder. Wenn es regnete, kramte Tante Wilma alte Kinderbücher vom Dachboden und versorgte mich damit. Und bei jedem Ferienaufenthalt planten sie einen Ausflug ein: mal ins Schifffahrtsmuseum nach Bremerhaven, mal ins Wellenbad nach Cuxhaven.
    Ich frage mich, wie es kam, dass wir so oft Familien begegneten, die uns so herzlich willkommen hießen und uns zu einem Teil ihres Lebens machten. Ob es so etwas überall auf der Welt gibt? Merkwürdig, in welchem Kontrast das Verhalten dieser Menschen stand zu dem der Behörden.
    Mein Vater wurde im Sommer 1980 auf ein anderes Schiff versetzt, auf die »Achilles«. Meine Eltern wollten den Stress mit den Behörden vergessen und uns Kindern einen schönen Urlaub ermöglichen. Meine Mutter nutzte die Gelegenheit und schiffte sich deshalb im Juli 1980 mit meiner Schwester und mir auf die »Achilles« ein – wir begleiteten meinen Vater nach Norwegen.
    Ich sah zum ersten Mal, wie er auf der Brücke stand und das riesige Holzsteuerrad und die Hebel zum Gasgeben bediente, beobachtete, wie er über ein Telefon mit dem Maschinisten sprach und sich nach irgendwelchen technischen Sachen erkundigte. Auf See durfte ich sogar selbst mal das Steuer in die Hand nehmen. Dazu musste ich mich auf einen Hocker stellen, damit ich über das hölzerne Rad blicken konnte.
    Ich war furchtbar stolz auf meinen Vater!
    Angeln an Bord der »Achilles« in norwegischen Gewässern

    Die Wellen ließen die »Achilles« kräftig schaukeln. Das ständige Auf und Ab machte meine Mutter fertig. Während ich mich auf der Brücke

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