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Gruenkohl und Curry

Gruenkohl und Curry

Titel: Gruenkohl und Curry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hasnain Kazim
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Reisekosten aufkommt. In diese Notlage hat uns der Landkreis Stade gebracht und ich halte ihn dafür verantwortlich. Die von meiner Bank eingeräumte Kreditmöglichkeit ist jetzt ausgeschöpft.

    Mein Vater, ein immer optimistischer Mensch, muss sehr verzweifelt gewesen sein, dass er so einen Brief schrieb. Über seinem Kummer hatte er ganz vergessen, dass das deutsche Generalkonsulat in Karatschi immer noch zehntausend Rupien verwahrte, die meine Mutter im November 1977 hinterlegt hatte – davon hätte der Rückflug gezahlt werden können.
    Auf Anraten seines Anwalts beantragte mein Vater Sozialhilfe. Ins Feld »Begründung« schrieb er:
»Verweigerung der Aufenthaltsgenehmigung (Gerichtsverfahren läuft).«
    Das Sozialamt lehnte ab – mein Vater habe noch Rücklagen, auf die er zurückgreifen könne.
    Meiner Schwester, jetzt eineinhalb Jahre alt, ging es wieder schlecht, sie litt unter furchtbaren Magenschmerzen. Meine Eltern hatten ein paar Tage zuvor wieder den Amtsarzt aufgesucht. Doktor Gosch hatten sie nicht mehr um ein Attest bitten wollen, weil die Ausländerbehörde Vorbehalte gegen ihn hatte.
    Am selben Tag, als mein Vater seinen Brief an den Anwalt schrieb, stellte der Amtsarzt, der mit »Dr. Holtschmidt, Medizinaldirektor a. D.« unterzeichnete, ein Attest aus, das für meine Schwester eine schlechte Nachricht, für uns alle aber einen Befreiungsschlag bedeutete:

    Nach Untersuchung des o. g. Kindes und nach eingehender Rücksprache mit dem Chefarzt der Kinderklinik Dr. Wessolowski in Stade, wo das Kind stationär behandelt worden ist, komme ich
zu der Beurteilung, daß eine Stoffwechselerkrankung vorliegt, die sich erst nach Ende des Kleinkindalters zurückbilden wird. Unter Berücksichtigung der vorliegenden Verhältnisse muß das Kind deswegen als nicht reisefähig für einen Zeitraum von 2 bis 3 Jahren beurteilt werden.

    Der Beamte von der Ausländerbehörde reagierte prompt:

    Sehr geehrte Frau Kazim!
    Sehr geehrter Herr Kazim!
    Angesichts des Ergebnisses der erneuten amtsärztlichen Untersuchung Ihres Kindes Zahra bin ich bereit, Ihren Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland vorerst weiterhin zu dulden. Anliegend übersende ich 2 Bescheinigungen über die Aussetzung der Abschiebung, die zunächst für 1 Jahr gültig sind. Über eine evtl. Verlängerung dieser Bescheinigung werde ich zu gegebener Zeit entscheiden.

    Meine Eltern waren glücklich, auch wenn es keinen Grund zum Jubeln gab – wir waren nach wie vor nur geduldet und von einer regulären Aufenthaltserlaubnis weit entfernt. Immerhin konnten sie den Antrag auf aufschiebende Wirkung zurückziehen, denn nun durften sie ja vorerst im Land bleiben. Um guten Willen zu zeigen, nahmen sie die Klage gegen die Ablehnung einer verlängerten Aufenthaltserlaubnis zurück und stellten einen neuen Antrag auf Verlängerung; auf diese Weise sollte ein Neuanfang gemacht werden.
    Der Anwalt antwortete dem Landkreis Stade:

    Sehr geehrte Damen und Herren,
    im Verfahren zur Regelung des Aufenthaltes der Eheleute Kazim habe ich mit Ihrem Herrn W.
[dem schnurrbärtigen Beamten]
kürzlich telefonisch besprochen, daß Ihre Behörde bereit ist, Herrn Kazim eine Duldung zu erteilen und ihm auch die Arbeitsaufnahme zu ermöglichen.
    Ich habe dagegen zwar prinzipielle Bedenken, weil ich befürchte, daß sich damit die aufenthaltsrechtliche Position der Eheleute Kazim deutlich verschlechtert – eine Duldung ist in der Systematik des Ausländergesetzes deutlich weniger als eine Aufenthaltsgenehmigung – und Ihre Behörde mir zukünftig dies versuchen wird, auch noch vorzuhalten. Ich bin besonders besorgt, weil die Stärke der Rechtsposition meiner Mandanten unter anderem an der langen Dauer des bisher geduldeten Aufenthaltes liegt.
    Ich habe dieses Problem mit Herrn Kazim besprochen und dabei jedoch gemerkt, daß ich diese Bedenken hinten anstellen muß. Meine Mandanten befinden sich nämlich inzwischen in einer ausgesprochenen Notlage. Wie ich Ihnen bereits in meinen verschiedenen Schreiben zum Ausdruck gebracht habe, lehnt das Sozialamt Ihrer Behörde ab, den Eheleuten Kazim Sozialhilfe zu zahlen. Zur Begründung wird angegeben, sie könnten auf festgelegte Sparverträge zurückgreifen, obgleich dabei übersehen wird, daß bereits Schulden in gleicher Höhe bestehen und nach dem BSHG
[Bundessozialhilfegesetz]
dies nicht zugemutet werden kann. Dessen ungeachtet sind meine Mandanten jedoch auch insbesondere durch die Weigerung Ihres Sozialamtes finanziell

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