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Gruenkohl und Curry

Gruenkohl und Curry

Titel: Gruenkohl und Curry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hasnain Kazim
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vergnügte, lag sie seekrank in der Koje, was vermutlich ein Fehler war, denn sich hinzulegen, macht die Sache nur noch schlimmer. Aber das wusste sie damals nicht.
    Es sind intensive Kindheitserinnerungen: ein sonniger Sommer in Norwegen; wir gehen in Stavanger und in Bergen einkaufen; meine Schwester und ich bestaunen Trollfiguren, größer als wir selbst; meine Mutter, die einen kleinen Troll für die Wohnzimmervitrine kauft; Walderdbeeren am Wegesrand; mein Vater, der einen Kanister mitschleppt und mit Wasser aus einer Quelle füllt, die aus einem Felsen hervorsprudelt; meine Begeisterung darüber, dass ich hier Wasser direkt aus einem Flüsschen trinken darf; angeln zusammen mit dem Bordmaschinisten, Meister Block, er fängt einen Fisch, nimmt ihn aus und legt mir das immer noch klopfende Herz auf die Hand; mein Ekel davor.
    Diese Zeit ließ meine Eltern den Streit mit den Behörden für eine Weile vergessen.
    Nach dieser Reise fuhr mein Vater noch einmal ohne uns für ein paar Wochen zur See, ab Oktober 1980 durfte er, als wir nur noch geduldete Ausländer waren, nicht mehr arbeiten. Alle Bitten der Reederei an den Landkreis Stade, meinen Vater arbeiten zu lassen, er werde dringend benötigt, waren vergeblich – die Ausländerbehörde reagierte nicht.
    Jetzt wurde allmählich das Geld knapp. Mein Vater hatte sein Patent längst erhalten und die Hansa-Reederei verlassen. Er war anschließend für eine kleinere Reederei im europäischen Raum gefahren. Nach Ansicht der Ausländerbehörde gab es aber keinen Grund mehr, ihm weiterhin eine Arbeit zu erlauben. Der Reederei blieb nichts anderes übrig, als ihn zu entlassen. Die Ersparnisse waren für die Wohnungseinrichtung und für das braune Auto draufgegangen, meine Eltern mussten nun einen Kredit bei ihrer Bank aufnehmen.
    Der Anwalt meiner Eltern schrieb an die Ausländerbehörde, die Reederei habe
»Herrn Kazim wegen der angespannten Personallage in der Vergangenheit mehrfach händeringend gebeten, Schiffe zu übernehmen. Sie ist in einer äußerst schwierigen Situation und hat auch mich immer wieder bedrängt, das Verfahren zu beschleunigen.«
    Nichts passierte.
    Einige Wochen später schrieb der Anwalt wieder an die Behörde:

    Herrn Kazims Papiere und die seiner Familie werden nur jeweils für kurze Zeit verlängert, wodurch die Familie unnötig eingeschränkt wird. Insbesondere ist dadurch Herrn Kazim nicht möglich, weiterhin zu arbeiten und für den Unterhalt selber aufzukommen.
Sie bringen die Familie damit in die Notlage, sich demnächst bei Ihnen Sozialhilfe holen zu müssen.

    Nur weil unsere Freunde Briefe an die Ausländerbehörde in Stade geschickt und sich für uns eingesetzt hatten und weil Doktor Gosch fleißig Atteste geschrieben hatte, waren wir bislang in Deutschland geblieben. Jetzt sah alles so aus, als würde nichts mehr unsere Ausweisung zum Ende des Jahres verhindern.
    Dann kam wieder ein Hoffnungsschimmer. Einen Brief an Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP), in dem Freunde unseren Fall geschildert hatten, beantwortete der Leiter des Ministerbüros so:

    Das Innenministerium des Landes Niedersachsen hat auf Anfrage fernmündlich bestätigt, daß eine zwangsweise Entfernung der Familie Hassan Kazim z. Zt. nicht beabsichtigt sei. Die Ausländerbehörde des Landkreises Stade habe dem Anwalt des Herrn Kazim vielmehr Gelegenheit gegeben, die Rechte des Ausländers vor Gericht wahrzunehmen. Im übrigen sei über die Anträge auf Aufenthaltserlaubnis bzw. -berechtigung noch nicht abschließend entschieden worden.

    Meine Eltern waren gezwungen, solche Briefe als Lichtblick zu sehen. Die Duldung wurde verlängert – wir blieben über den 31. Dezember 1980 hinaus. Mein Vater aber durfte immer noch nicht arbeiten. Er saß zu Hause und verdiente nichts. Es waren bittere Monate.
    Tante Wilma und Onkel Konrad liehen uns einige Tausend Mark, ohne jemals einen Vertrag aufzusetzen oder eine Unterschrift zu verlangen. Sie gaben einfach, ohne zu wissen, ob und wann sie das Geld zurückerhalten würden. Sie hätten ja auch sagen können: Was interessiert uns diese ausländische Familie mit ihren Problemen? Sollen die doch zurück nach Pakistan gehen, dort findet der Vater bestimmt Arbeit! Aber sie taten alles, damit wir bleiben konnten.
    Mein Vater stand trotzdem kurz davor aufzugeben. Am 3. April 1981 schrieb er einen Brief an seinen Anwalt:

    Sollte ein weiterer Verbleib in der BRD nicht mehr möglich sein, stellt sich die Frage, wer für die

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