Guardian Angelinos: Die zweite Chance (German Edition)
Wohnung, in der sie ihn kennengelernt und wo das unvergessliche Intermezzo aus Lust und Liebe begonnen hatte – aber diese Männer hatten sie nervös gemacht, und momentan war Zach das geringere von zwei Übeln. Aber immer noch ein Übel.
Und sein Gesicht. Der Magen hatte sich ihr umgedreht beim Anblick der zerklüfteten Narbe, die unter einer bedrohlich wirkenden schwarzen Augenklappe begann, die Haut auf seinem Wangenknochen durchschnitt und dann in den Stoppeln eines Dreitagebarts verschwand. Oh, Herr im Himmel, warum hatte Vivi ihr nicht erzählt, dass er im Irak verwundet worden war? Oder in Afghanistan. Oder … wo er auch immer gewesen war.
Weil sie und Vivi im vergangenen Jahr oder so kaum miteinander geredet hatten – weil ihre Freundschaft genauso Schaden genommen hatte wie sein Gesicht. Vivi war gegenüber ihrem Zwillingsbruder immer loyal gewesen, und niemals, nicht einmal in den ersten Monaten seines Einsatzes, hatte sie ein Wort darüber verloren, wo er war, was er machte oder wann er nach Hause kam. Sie hatte nur gesagt, »das ist geheim«, was Sam schließlich interpretierte als »er hat in dem Moment, als er in den Flieger nach Kuwait gestiegen ist, das Interesse an dir verloren.«
So, wie er vor ihr herging, konnte sie lediglich seine rechte Seite sehen – die so verflucht perfekt war, wie sie sie in Erinnerung hatte – und die langen schwarzen Locken, die sich in seinem Nacken kringelten, struppig und ungekämmt.
Das war Zach Angelino, der Sergeant First Class, Army Ranger, Kriegsheld und glühend heiße Liebhaber, der sie schon beim allerersten Kuss umgehauen hatte? Wobei ein Mädchen bei seinem Anblick durchaus immer noch weiche Knie bekommen konnte. Er war unglaublich muskulös, aber nun zierte einen seiner dicken Bizepse eine böse aussehende schwarz-violette Tätowierung, die um den Oberarm verlief. Er war immer noch auf unwirkliche Weise überlebensgroß, doch der Mann, der gern flirtete, der dreist und einfach zum Anbeißen war, der Mann, der ihr auf Vivis Party ins Badezimmer gefolgt war, sie gegen die Wand gedrückt und sie um den Verstand geküsst hatte … war verschwunden.
An seine Stelle war jemand getreten, der düster, grüblerisch und gefährlich war. Konnte der Krieg einen Mann so sehr verändern? Oder hatte er nur eine Seite von ihm zum Vorschein gebracht, die sie nicht hatte sehen wollen oder können, als sie blind vor Lust und dabei war, sich Hals über Kopf zu verlieben?
Etwas sagte ihr, dass er ihr diese Fragen nicht beantworten würde, also entschied sie sich für eine unverfänglichere. »Seit wann bist du zurück?«, fragte sie, während sie die Treppen hochgingen.
»Eine Weile.«
Sie wurde langsamer und versuchte dabei immer noch zu verarbeiten, wie sehr er sich verändert hatte. War das derselbe Mann, der sie allein durch Reden zum Orgasmus bringen konnte? Und der das auch getan hatte. Bei mehreren Gelegenheiten.
Er drehte sich um und wandte ihr halb das Gesicht zu. Die narbenlose Hälfte. »Kommst du?«
Als hätte sie jetzt noch eine Wahl.
Im dritten Stock schloss er Vivis Tür auf, an der von der anderen Seite unnachgiebig gekratzt wurde. »Das ist nur Fat Tony«, sagte er und legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Vivis Kater.«
»Ich kann mich an ihn erinnern«, sagte sie. »Ich habe mich mit Vivi getroffen, kurz nachdem sie ihn gekriegt hat. Hab versucht, sie zu ›Snickers‹ oder ›Whiskers‹ zu überreden.«
Er schnaubte verächtlich. »Wir reden hier von Vivi.« Er machte die Tür auf, und der schwarz-weiße Kater hob den Kopf und schnurrte, eindeutig nicht erfreut darüber, dass sie nicht diejenige waren, die er erwartet hatte. »Sei froh, dass sie ihn nicht Aerosmith genannt hat.«
Fat Tony, der eigentlich gar nicht so fett war, kam gemächlich zu Sam herüber und schnupperte an ihrer Jeans. Sie beugte sich hinunter, um ihm den Nacken zu kraulen, während Zach den schmalen Flur durchquerte und links im dunklen Wohnzimmer verschwand. Sam folgte ihm, vorbei an Vivis Schlafzimmer auf der einen und einem Büro auf der anderen Seite, wo eine Luftmatratze fast den ganzen Boden einnahm. Darauf lag ein Durcheinander aus Laken und Decken.
Ihr wurde schwindelig beim Gedanken an Zach auf diesem Notlager, eingehüllt in Betttücher und Schweiß und sie. Der Abend, an dem sie sich kennengelernt hatten, hatte in genau diesem Gästezimmer geendet. Damals war es ein Schlafsack gewesen, keine Luftmatratze, auf dem er geschlafen hatte, während er auf den
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