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Guido Guerrieri 01 - Reise in die Nacht

Guido Guerrieri 01 - Reise in die Nacht

Titel: Guido Guerrieri 01 - Reise in die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gianrico Carofiglio
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danach sei es ihr fünf, sechs Monate lang sehr, sehr schlecht gegangen. Sie hatte geglaubt, ihr Leben sei zu Ende, weil sie doch so jung geheiratet hatte, schon mit zweiundzwanzig, und nie mit einem anderen Mann zusammen gewesen war. Dann aber hatte sie sich allmählich mit dem Gedanken angefreundet, dass vielleicht doch noch nicht alles zu Ende war und dass sie vielleicht noch ein paar Dinge tun konnte, die sie immer hatte tun wollen, aus irgendeinem Grund aber stets aufgeschoben hatte. Als Erstes belegte sie einen Origami-Kurs, denn Origami war eines von diesen Dingen; ihre Großmutter hatte ihr als Kind immer so schöne Spielsachen aus buntem Papier gefaltet. Wenn sie alt genug wäre, wollte sie ihr beibringen, wie man das macht, aber daraus war nichts geworden. Kurz bevor sie sieben Jahre alt war, starb die Großmutter. Also hatte sie Origami gelernt und zwar ziemlich gut – wie sie mir auch gleich demonstrierte, indem sie vor meinen Augen einen Pinguin, eine Robbe und dann noch ein Rentier faltete – und hatte Lust bekommen, noch andere Dinge zu tun. Und das tat sie auch. Beispielsweise allein ans Meer fahren oder verreisen, denn finanziell hatte sie glücklicherweise keine Probleme, und so weiter und so fort. Und wissen Sie, junger Mann, wenn man so beschäftigt ist, hat man gar keine Zeit, darüber zu grübeln, dass das Leben zu Ende ist oder wie viele Jahre einem noch bleiben, bis man stirbt, und ähnlichen Unsinn. Ich meine, wir sterben ja sowieso... Und während sie redete, machte sie sich gleichzeitig noch Sorgen, ich könnte mir einen Sonnenbrand holen, und reichte mir eine Flasche Sonnenschutz mit der Aufforderung, mich einzucremen. Ich cremte mich auch ein und ich tat gut daran, denn die Sonne stach förmlich vom Himmel, und da ich den ganzen Tag am Meer verbrachte, hätte ich mir mit Sicherheit einen Sonnenbrand geholt. Dann wollte sie, dass ich ihr von mir erzählte, und zu meiner eigenen Verwunderung tat ich auch das. Bisher hatte ich niemandem etwas von mir erzählt außer dem bärtigen Psychiater, und auch bei ihm war es mir nicht wirklich gelungen. Die Dame hörte zu, ohne etwas zu sagen; auch das gefiel mir gut.
    Am Abend ging ich nach dem Essen in eine Art Piano-Bar und hörte bis spät in die Nacht Musik. Dort freundete ich mich auch mit der Bedienung an, einem Physikstudenten, der sich am Wochenende mit Kellnern ein wenig Geld verdiente. Irgendwann meinte er zu mir, an einem der Nebentische im Dunkeln säßen zwei Mädchen, die sich nach mir erkundigt hätten. Er sagte, sie seien hübsch, und wenn ich wollte, könne er ihnen etwas ausrichten von mir. Die Art, in der er das sagte, war nett und keine Spur vulgär. Ich sagte, nein, danke, vielleicht ein anderes Mal, woraufhin er mich etwas verblüfft ansah. Als ich ging, ließ ich ein Trinkgeld auf dem Tisch zurück. Möglich, dass er dachte, ich stehe auf Männer, aber das war mir egal.
    Auch diese Nacht schlief ich wie ein Stein und erwachte ausgeruht und gut gelaunt. Den Sonntag verbrachte ich damit, am Strand zu lesen, ins Wasser zu springen und mich mit der Sonnenmilch einzucremen, die mir die Origami-Dame geschenkt hatte.
    Um sieben, es war noch ziemlich warm, stellte ich mich das letzte Mal unter die Stranddusche, holte mein Gepäck in der Pension ab und machte mich auf die Heimfahrt.
    Wenige Kilometer vor Bari hörte ich es in den Tiefen meiner Reisetasche piepsen: auf meinem Handy war eine SMS eingegangen. Da ich schon ewig keine SMS mehr bekommen hatte, war ich neugierig. An der nächsten Tankstelle fuhr ich ab und holte das Handy aus der Tasche. Ich hatte einige Mühe, mich daran zu erinnern, wie man empfangene Nachrichten las, denn wie gesagt, ich hatte lange keine mehr bekommen, aber schließlich schaffte ich es. Die Nachricht lautete:
    Eine Erklärung wäre zu lang, versuche nicht erst zu verstehen, aber ich musste es dir einfach sagen: Dich getroffen zu haben, gehört zum Schönsten, was mir je passiert ist. Nur das. M.
    Ich starrte ein paar Sekunden ungläubig auf diese Worte, dann fuhr ich weiter. Nach ein paar Minuten hatte ich Lust, die Klimaanlage auszuschalten und die Fenster runterzulassen. Draußen war ein frischer Mistral aufgekommen, der die feuchte Luft wegfegte.
    Ich wusste nicht, ob es der Wind war, der meinen von der Sonne aufgeheizten Körper mit einer Gänsehaut überzog, während ich mit geöffneten Wagenfenstern nach Hause zurückfuhr. Aus den Lautsprechern drang die Stimme von Rod Steward, der I don’t wanna

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